Für das Verfahren beim Ausschluss aus einer Gemeinderatsfraktion gelten die im Vereinsrecht anerkannten Grundsätze zur Unzulässigkeit eines „Richters in eigener Sache“. | |
Aktenzeichen & Fundstelle | |
---|---|
Az.: BGH 2 StR 481/17 in: BeckRS 2018, 28869 NStZ 2018, 708 – 711 |
|
A. Orientierungs- oder Leitsatz | |
Für das Verfahren beim Ausschluss aus einer Gemeinderatsfraktion gelten die im Vereinsrecht anerkannten Grundsätze zur Unzulässigkeit eines „Richters in eigener Sache“. | |
B. Sachverhalt | |
Der Oberbürgermeister der Stadt N erstattete Strafanzeige wegen der Verbreitung von Gerüchten. Ermittelt wurde diesbezüglich gegen T, Mitglied der C-Fraktion. Im Rahmen einer Zeugenvernehmung sagte die Antragstellerin A aus, dass ihr Fraktionskollege T diese in Fraktionssitzungen angesprochen habe und sie deshalb vermute, dass T Urheber der Gerüchte sei. Daraufhin wurde A von der C-Fraktion vorgeworfen, sie hätte Fraktionsinterna preisgegeben. A wurde zu einer Fraktionssondersitzung eingeladen, um zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Im Anschluss wurde sie mit Beschluss von sechs Ja- und vier Nein-Stimmen aus der Fraktion ausgeschlossen. Dabei stimmte sowohl T als auch Fraktionsmitglied H ab, der im Ermittlungsverfahren als sein Rechtsanwalt aufgetreten war. Um weiterhin an der Fraktionsarbeit teilzunehmen, begehrt A im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren als Fraktionsmitglied zugelassen zu werden. | |
C. Anmerkungen | |
Innerhalb der Begründetheit ist zu prüfen, ob der Ausschluss unwirksam war. Verfahrensmäßig folgt für den Fraktionsausschluss aus dem Demokratie- und Rechtstaatsprinzip ein Anhörungserfordernis. Dazu gehört auch, dass die Vorwürfe konkret bezeichnet werden müssen. Jedenfalls mit Bekanntgabe der Entscheidung müssen die Gründe schriftlich mitgeteilt oder persönlich erläutert werden. Beides hat die C-Fraktion nicht getan. Nach §§ 54 Abs. 3, 41 Abs. 1 Nr. 1, 4 NKomVG hätte für H und T außerdem ein Mitwirkungsverbot bestanden. Diese finden aber keine Anwendung. Demgegenüber findet sich im Vereinsrecht das „Verbot des Richtens in eigener Sache“, § 34 BGB. Zumindest T unterlag diesem Stimmverbot. Auch ohne die Beteiligung des T wäre aber eine ausreichende Mehrheit erreicht worden. Es fehlt demzufolge an der Kausalität zwischen Stimmverbot und Ergebnis. Materiell war ein wichtiger Grund erforderlich. Die Verschwiegenheitspflicht aus §§ 54 Abs. 3, 40 NKomVG konnte A mangels Bezug zu Gemeindeaufgaben weder unmittelbar noch analog verletzen. Auch eine Unrichtigkeit der Zeugenaussage steht nicht fest. A hatte auch kein Zeugnisverweigerungsrecht, was sie hätte nutzen können. Im Übrigen hat A mit der Zeugenaussage lediglich ihre staatsbürgerlichen Pflichten erfüllt. Die Vorwegnahme der Hauptsache ist daher ausnahmsweise zulässig. |
|
D. In der Prüfung | |
A. Eröffnung des Verwaltungsrechtwegs (!) B. Zulässigkeit -> beachte hier die analoge Anwendung von § 42 Abs. 1 und § 61 Nr. 2 VwGO für A als (ehemaliger) Teil einer Fraktion C. Begründetheit I. Anordnungsanspruch (!) Unwirksamkeit des Ausschlusses bei formeller bzw. materieller Rechtswidrigkeit II. Anordnungsgrund III. Glaubhaftmachung IV. Vorwegnahme der Hauptsache (!) |
|
E. Zur Vertiefung | |
OVG NRW, BeckRS 3765 und BeckRS 3180 in ähnlichen Fällen Ipsen, Rechtsschutz gegen Fraktionsausschluss, NVwZ 2005, 361 und Lenz, Der Fraktionsausschluss, NVwZ 2005, 364 zur staatsorganisationsrechtlichen Ebene | |
|