Klimaschutz ist ein Rechtsgut i.S.d. § 34 StGB. |
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Aktenzeichen & Fundstelle | |
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Az.: AG Flensburg , 07.11.2022 – 440 Cs 107 Js 7252/22 in: openJur 2022, 22268 |
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A. Orientierungs- oder Leitsatz | |
1. Das Aufstellen eines neuen und lückenlosen Zaunes zeigt, dass aus der Sicht des Berechtigten das Grundstück zuvor nicht umfriedet gewesen ist. |
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B. Sachverhalt | |
A besetzte am 01.10.2020 gemeinsam mit anderen Personen Bäume eines privaten Grundstücks, auf dem ein Hotel gebaut werden sollte. A wollte die geplante Baumfällung zugunsten des Hotelbaus und dadurch die Errichtung des Hotels verhindern. Das Grundstück war zu einer Seite mit einem ca. 1,10 Meter hohen Zaun umfriedet, auf der anderen Seite mit einem ca. zwei Meter hohen Zaun, zur dritten Richtung konnten nur noch auf einer Länge von drei Metern Zaunreste festgestellt werden, zudem hatte der Zaun auf Höhe eines Parkplatzes eine Öffnung. In der vierten Richtung war es durch natürliche Vegetation und ehemalige Zaunpfosten begrenzt. Das gesamte Grundstück wurde am Morgen des 19.02.2021 zudem mit Bauzäunen eingezäunt und einige Bäume bereits angesägt. Am gleichen Tag seilte A sich nun von dem Baum, auf dem er verweilte, ab und verließ das Grundstück. Hat sich A wegen Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB strafbar gemacht? |
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C. Anmerkungen | |
Zunächst war festzustellen, ob „befriedetes Besitztum“ nach § 123 Abs. 1 StGB vorlag. Dies ist angesichts der vielen Lücken im Zaun um das Grundstück und die Vegetationsgrenze eher abzulehnen. Jedoch stellt spätestens der Aufbau des Bauzaunes um das gesamte Grundstück eine Einfriedung nach § 123 StGB dar und zeitlich eine Aufforderung des Berechtigten an alle auf den Bäumen befindliche Personen, das Grundstück nun zu verlassen. Die Veranlassung, einen anderen Zaun aufzubauen gibt zudem gerade den Hinweis darauf, dass zuvor das Grundstück aus Sicht der Berechtigten nicht ausreichend umfriedet gewesen und kein taugliches Tatobjekt i.S.d. § 123 StGB gewesen ist. Ab dem Zeitpunkt des Aufbaus des Bauzauns liegt demnach das für eine Strafbarkeit notwendige „Verweilen ohne Befugnis trotz Aufforderung des Berechtigten“ nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 StGB vor. Zudem handelte A durch das Wissen und Wollen bezüglich des nicht genehmigten Verweilens aus Protest- und Schutzgründen für die Bäume vorsätzlich. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es A nicht darum ging, sich dem Berechtigten zu widersetzen oder ihn zu schädigen, sondern dass er sich aus Klimaschutzgründen dazu genötigt sah, auf einem Baum zu verweilen, damit dieser nicht gefällt werden konnte. Der Tatbestand des § 123 Abs. 1 StGB ist erfüllt. Jedoch kommt als Rechtfertigungsgrund der rechtfertigende Notstand gem. § 34 StGB in Betracht. |
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D. In der Prüfung | |
Strafbarkeit des A gem. § 123 Abs. 1 2. Alt StGB I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand 2. Subjektiver Tatbestand II. Rechtfertigungsgrund des § 34 StGB III. Ergebnis |
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E. Literaturhinweise | |
BVerfG NJW 2021, 1723 ff. |
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