Entscheidung der Woche 02-2020 (ZR)
Eric Scheu
Wird zwischen den Parteien das Mietverhältnis als Wohn- oder Gewerberaummietverhältnis bezeichnet, stellt dies lediglich ein Indiz für das tatsächliche Verhältnis dar.
Aktenzeichen & Fundstelle
Az.: KG – 8 U 132/18
in: BeckRS 2019, 15785
A. Orientierungssätze
Wird zwischen den Parteien das Mietverhältnis als Wohn- oder Gewerberaummietverhältnis bezeichnet, stellt dies lediglich ein Indiz für das tatsächliche Verhältnis dar. Daran ändert sich auch nichts, wenn die mietende Partei Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung liegt bei viermaliger, leichter Verzögerung der Mietzahlung nicht stets vor.
B. Sachverhalt (verkürzt & vereinfacht)
Der klagende Vermieter und die als Mieterin beklagte GbR schlossen im Mai 2015 auf unbestimmte Zeit einen Mietvertrag über ein Mietobjekt in Berlin (zwei Zimmer, Küche und Bad). In dem Vertrag wurde unter anderem festgelegt, dass die monatlichen Mietzahlungen i.H.v. 620,00 EURO jeweils zum dritten Werktag entrichtet werden müssen. Zudem sollte der Vermieter eine etwaige Kündigung zu begründen haben, dem Mieter wurde ein Widerspruchsrecht zugesprochen. Ferner wurde sich auf § 573c BGB bezogen. Die Räume wurden als Wohnfläche und der Mietzweck mit „Büro- und Wohnzwecke“ bezeichnet.
Im Dezember 2016 kündigte der Kläger der Beklagten ordentlich zum 30.06.2017. Einen Kündigungsgrund gab er hierbei nicht an, da es sich um ein Gewerberaummietverhältnis handele. Dies sei schon daran auszumachen, dass die mietende Partei eine GbR und „Bürozweck“ als Zweck des Mietverhältnisses im Mietvertrag festgehalten sei. Zwischen Dezember 2016 und März 2017 wies die Beklagte zudem die Mietzahlungen jeweils um bis zu 10 Tage verspätet an, woraufhin der Kläger diese im Januar 2017 abmahnte und am 21.03.2017 letztlich fristlos, hilfsweise ordentlich, aufgrund der verspäteten Mietzahlungen kündigte. In der Folge zahlte der Beklagte in den darauffolgenden Monaten wieder pünktlich und gab das Mietobjekt weiterhin nicht heraus.
Die Parteien streiten um die Herausgabepflicht des Mietobjekts.
C. Anmerkungen
Fraglich war insbesondere, ob ein Mietverhältnis über Wohn- oder Gewerberäume zwischen den Parteien vereinbart worden ist und ob die mehrmalige, leicht verzögerte Mietzahlung bereits eine nicht nur unerhebliche Pflichtverletzung i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellt. Die Abgrenzung zwischen Wohn- oder Gewerberaummietverhältnis ist dahingehend entscheidend, dass es bei einem Mietverhältnis über Gewerberäume auf einen Kündigungsgrund nicht zwingend ankommt.
Das Kammergericht entschied sich vorliegend dafür, kein Mietverhältnis über Gewerberäume anzunehmen. In einem sog. Mischmietverhältnis ist im Zweifel von einem Wohnraummietvertrag auszugehen (BGH – VIII ZR 376/13). Gem. §§ 133, 157 BGB ist die Art des Mietverhältnisses anhand des tatsächlichen Willens der Parteien festzumachen und nicht aufgrund von Bezeichnungen im Vertrag, denen lediglich eine Indizwirkung zukommt. So ist neben den vertraglichen Regelungen, die auf solche des Wohnraummietrechts verweisen, auch die bauliche Beschaffenheit des Objekts maßgebend. Hiergegen spricht auch nicht, dass die mietende Partei eine GbR ist. Die grundlose Kündigung vom 22.12.2016 war folglich unwirksam. Die fristlose Kündigung vom 21.03.2017 hat das Kammergericht ebenso wie die hilfsweise ordentliche Kündigung mit der Begründung, dass das Zahlungsverhalten der Beklagten nach einer wertenden Gesamtschau noch nicht als erhebliche Verletzung des Vertrages, weder i.S.d. § 543 Abs 1 BGB noch i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1. BGB, angesehen werden kann, für unwirksam gehalten. Das Mietverhältnis wurde also nicht durch die Kündigungen des Klägers beendet.
D. In der Prüfung
A. Ordentliche Kündigung gem. § 580a Abs. 2 BGB
I. Vorliegen eines Gewerberaummietverhältnisses
II. Ergebnis (-)
B. Fristlose Kündigung gem. § 543 Abs. 1 BGB
I. Vorliegen eines Mietverhältnisses
II. Vorliegen eines wichtigen Grunds
III. Ergebnis (-)
C. Ordentliche Kündigung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB
I. Vorliegen eines Mietverhältnisses
II. Vorliegen eines berechtigten Interesses
III. Ergebnis (-)
D. Gesamtergebnis (-)
E. Zur Vertiefung
RÜ 2019, 758; RÜ 2014, 687.