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Entscheidung der Woche 42-2019 (ÖR)

Btissam Boulakhrif

Die Teilnahme an einer Versammlung setzt ein kommunikatives Ziel des Einzelnen voraus, auch wenn damit nicht zwingend das Versammlungsziel gemeint sein muss.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: OVG Sachsen, Urt. v. 25.01.2018 -3 A 246/17

in: BeckRS 2018, 1711

 

A. Orientierungssatz

Die Teilnahme an einer Versammlung setzt ein kommunikatives Ziel des Einzelnen voraus, auch wenn damit nicht zwingend das Versammlungsziel gemeint sein muss. Bei Vorliegen des versammlungsrechtlichen Trennungsprinzips darf sich die Prüfung der Zulassung zur Versammlung auf die Feststellung beschränken, ob das Individuum unter das Trennungsprinzip fällt.


B. Sachverhalt (verkürzt)

K, ein Lokalpolitiker, nahm an einer von drei zeitgleich stattfindenden Demonstrationen teil. Eine Demonstration war dem rechten Spektrum zuzuordnen, während es sich bei den anderen beiden um Gegendemonstrationen handelte. Gegenstand der von K besuchten Demonstration war die Errichtung eines Asylbewerberheimes. K versuchte nach seiner Teilnahme an der Gegendemonstrationen die Demonstration aus dem rechten Spektrum zu besuchen, um die Anliegen dieser Demonstranten nachvollziehen zu können.Bevor er den Versammlungsort erreichen konnte, wurde er durch einen Polizeibeamten angehalten, welcher ihn nach der Frage zu seiner eigenen politischen Position zu dem Demonstrationsanliegen ein Betretungsverbot erteilte.


C. Anmerkungen

Das OVG wies die Berufung ab, da es an der Begründetheit der Fortsetzungsfeststellungsklage mangele.

Für eine Verletzung der Versammlungsfreiheit müsse das Individuum ein kommunikatives Ziel verfolgen, mithin Anteil an der öffentlichen Meinungsbildung nehmen. Es reiche dagegen nicht aus, wenn mit der Teilnahme lediglich das Ziel eines Erkenntnisgewinnes verfolgt wird. Unschädlich sei hingegen eine Beteiligung, die auf Kritik der in der Versammlung formulierten Meinung abzielt, solange dies das kommunikative Anliegen der Versammlung nicht verhindern soll. Es komme jedoch eine Verletzung der Bewegungs-, Meinungs- und Informationsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1, 2 und 5 Abs. 1 S. 1 GG in Betracht, wobei die Versammlung als Informationsquelle fungiert.

Steht zu befürchten, dass Teilnehmende verschiedener Versammlungen (im Falle von Gegendemonstration und ähnlichen Szenarien) aufeinandertreffen und es deshalb zu einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kommen kann, so können die Versammlungen zeitlich und örtlich getrennt werden, sog. versammlungsrechtliches Trennungsprinzip, welches ein Verbot oder eine Auflösung einer oder mehrerer Versammlungen verhindern soll. Beim versammlungsrechtlichen Trennungsprinzip handele es sich um eine sog. Minusmaßnahme, die in ihrer Eingriffsintensität unterhalb des Versammlungsverbots steht. Im Wege der praktischen Konkordanz müssen die Versammlungsfreiheit und Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 GG in Abwägung gebracht werden.

Sobald das versammlungsrechtliche Trennungsprinzip in rechtmäßiger Weise angenommen werden kann, bemisst sich die Zulassung des Einzelnen zur Versammlung danach, ob die jeweilige Person unter das versammlungsrechtliche Trennungsprinzip fällt. Dabei ist den örtlichen Polizeikräften aufgrund der schweren Nachvollziehbarkeit und der Unübersichtlichkeit vor Ort ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen.


D. In der Prüfung

II. Begründetheit

1. Ermächtigungsgrundlage

2. Formelle Rechtmäßgikeit

3. Materielle Rechtmäßigkeit

a. Tatbestand

b. Rechtsfolge „Ermessen“


E. Zur Vertiefung

Pünder/Klafki, JURA 2016, 300.

 
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