Entscheidung der Woche 45-2019 (ÖR)
Daniel Müller
Der Wahlrechtsausschluss in allen ihren Angelegenheiten Betreuter sowie in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachter Straftäter verstößt gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl sowie gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung.
Aktenzeichen & Fundstelle
Az.: BVerfG, Beschl. v. 29.01.2019 – 2 BvC 62/14
in: NJW 2019, 1201
A. Orientierungs- oder Leitsatz
Der Wahlrechtsausschluss in allen ihren Angelegenheiten Betreuter sowie in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachter Straftäter verstößt gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl sowie gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung.
B. Sachverhalt
Bezüglich der Wahl zum 18. Deutschen Bundestag wurde Wahlprüfungsbeschwerde beim BVerfG durch diverse Beschwerdeführer erhoben. Für vier der Beschwerdeführer waren im Zeitpunkt der Bundestagswahl 2013 Betreuer in allen Angelegenheiten bestellt. Drei weitere Beschwerdeführer waren im Zeitpunkt der angegriffenen Wahl gemäß § 63 i. V. m. § 20 StGB im Maßregelvollzug untergebracht. Sie waren aufgrund dieser Umstände jeweils nach § 13 Nr. 2 bzw. 3 BWahlG a.F. von der Wahl ausgeschlossen. Die Beschwerdeführer legten aufgrund dessen im November 2013 zuvor Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl ein. Der Deutsche Bundestag wies den Wahleinspruch zurück.
C. Anmerkungen
Die vorliegende Entscheidung betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über den Wahlrechtsausschluss. Ausgangspunkt sind § 13 Nr. 2 ,3 BWahlG, die Personen von der Wahl ausschließen, für die in allen Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Verfügung bestellt ist, sowie solchen, die sich aufgrund einer Anordnung nach § 63 i.V.m. § 20 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden. Das Bundesverfassungsgericht setzt sich mit Verstößen gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 GG und dem Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG auseinander.
1. Ein Ausschluss vom aktiven Wahlrecht kann verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, wenn bei einer bestimmten Personengruppe davon auszugehen ist, dass die Möglichkeit der Teilnahme am Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen nicht in hinreichendem Maße besteht.
2. Der Gesetzgeber ist berechtigt, die Durchführbarkeit der Wahl durch typisierende Regelungen sicherzustellen. Dabei müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit stehen.
3. Indem § 13 Nr. 2 BWahlG ausschließlich am äußeren Tatbestand der Bestellung eines Betreuers in allen Angelegenheiten ansetzt, bestimmt die Regelung den Kreis der Betroffenen ohne hinreichenden sachlichen Grund in gleichheitswidriger Weise und verfehlt die Anforderungen an eine gesetzliche Typisierung.
4. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erlaubt keinen Rückschluss auf das Fehlen der für die Ausübung des Wahlrechts erforderlichen Einsichtsfähigkeit.
D. In der Prüfung
I. Verfassungswidrigkeit des Wahlrechtsausschlusses in § 13 Nr. 2 BWahlG
1. Verstoß gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 GG
a. Eingriff
b. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
2. Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG
a. Rechtlich relevante Ungleichbehandlung
b. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
II. Verfassungswidrigkeit des Wahlrechtsausschlusses in § 13 Nr. 3 BWahlG
1. Verstoß gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 GG
a. Eingriff
b. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
2. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG
a. Eingriff
b. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
E. Zur Vertiefung
Lang, Inklusives Wahlrecht, ZRP 2018, 19 ff;
Heußner/Pautsch, Die Verfassungswidrigkeit des Wahlrechtsausschlusses von 17-Jährigen bei den Wahlen zum Europäischen Parlament, NVwZ 2019, 993 ff.
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