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Entscheidung der Woche 07-2023 (ZR)

Simon Weber

Ein Grundstück ist nicht alleine deshalb mangelhaft, weil bei der Errichtung eines auf ihm stehenden Gebäudes gegen das SchwarzArbG verstoßen wurde.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH, Urteil vom 28.5.2021 – V ZR 24/20

zuvor: LG Berlin Urt. v. 28.4.2017 – 32 O 449/15 und KG Urt. v. 23.12.2019 – 21 U 75/17

in: NJW 2021, 3397

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

1. Ein Grundstück ist nicht alleine deshalb mangelhaft, weil bei der Errichtung eines auf ihm stehenden Gebäudes gegen das SchwarzArbG verstoßen wurde.

2. Für die Annahme von Arglist genügt es nicht, dass sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen (Bestätigung von Senat NJW 2013, 2182).


B. Sachverhalt

Die Kl. kaufte mit not. Vertrag ein Grundstück. Im Vertrag wurden die Rechte des Käufers wg. eines Sachmangels des Grundstücks, des Gebäudes und der mitverkauften bewegl. Sachen ausgeschlossen. Auf dem Grundstück befindet sich ein Gebäude, das der Verkäufer (Bekl. zu 1) aufgrund eines Werkvertrags mit einer Bauunternehmerin errichten ließ. Die Bauarbeiten wurden ohne Rechnung durchgeführt, um durch die Steuerersparnis die Kosten zu senken. Dies wurde der Kl. beim Verkauf nicht mitgeteilt. Im Zuge von Umbauarbeiten stellte die Kl. Mängel in der Hausabdichtung fest. Im Dezember 2012 trat der Bekl. zu 1 an die Kl. sämtliche ihm gegenüber der Bauunternehmerin zustehenden Gewährleistungsansprüche ab. Die Kl. verlangt wegen der Feuchtigkeitsmängel von den Verkäufern und der Bauunter- nehmerin insgesamt 48.457,51 Euro Wertminderungsschaden.


C. Anmerkungen

Der BGH stellt in der Entscheidung klar, dass der Käuferschutz nur unter Berücksichtigung des im § 434 BGB verankerten Mangelbegriffs zu gewähren ist. Ein hiervon losgelöster Vorwurf des Vorenthaltens von Informationen, insbesondere zur Historie des Grundstücks, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

§ 444 BGB schafft eine Möglichkeit, (individuell) vereinbarte Haftungs- ausschlüsse für Mängelansprüche des Verkäufers zu beschränken oder ganz auszuschließen. Ziel ist der Käuferschutz mit dem Mehrwert im vgl. zu § 123 BGB, das ursprüngl. ausgeschlossene Erfüllungsinteresse wiederherzustellen. Der BGH verlangt als Voraussetzung für den Arglisteinwand des § 444 BGB einen konkreten Mangelvorwurf. Das Ziel dieser Vorschrift würde überdehnt, wenn jede – wenn auch für den Käufer durchaus interessante – Information für den Ausschluss der Haftungsbeschränkung des Verkäufers herangezogen werden könnte, um so pauschal Mängelansprüche wieder eingeräumt zu bekommen. Das bloße Gefühl des Käufers betrogen worden zu sein kann aufgrund des rein obj. Betrachtungsmaßstabs des § 444 BGB nicht herangezogen werden.

Die Errichtung eines Gebäudes unter Verstoß gegen das SchwarzArbG entbehrt dabei in tatsächlicher Hinsicht konkreten Aussagen zur ordnungsgemäßen Ausführung der betroffenen Arbeiten. Die Zielrichtung des SchwarzArbG ist eine völlig andere als diejenige der Vorschriften über Mängelansprüche. Sie dient einem öffentlichen Interesse und gerade nicht dem Schutz einzelner Käufer. Demgemäß ist es konsequent, aus einem solchen Verstoß keine Rückschlüsse auf die Beschaffenheit eines Grundstücks zu ziehen.

Hieraus folgt gleichermaßen, dass der Verkäufer auch – wiederum nicht losgelöst – auf den Verstoß gegen das SchwarzArbG hätte hinweisen müssen. Käufer von Grundstücken mit Bestandsimmobilien sind jedoch auch auf Grundlage dieser Rspr. nicht schutzlos gestellt. Der BGH zeigt gleich zwei mögliche Anknüpfungspunkte, um den Käuferschutzinteressen in einem solchen Fall gerecht werden zu können.

Es ist jedoch Aufgabe des Käufers, den vom BGH verlangten Bezug zum Kaufgegenstand herzustellen. Dieser muss sich im entsprechenden Kaufvertrag wiederfinden. Eine Möglichkeit ist, im Kaufvertrag die Einhaltung der Vorgaben des SchwarzArbG als der Kaufsache direkt anhaftende Beschaffenheit zu vereinbaren. Dies kann auch die Übergabe sämtlicher Unterlagen, insbesondere hinsichtlich der Abrechnung der Errichtung des Objekts umfassen. Der BGH hat hier die Bewertung einer Beschaffenheit nach § 434 I 1 BGB ausdrücklich offengelassen. Sollte ein arglistiges Verschweigen der Nichteinhaltung dieser Beschaffenheitsvereinbarung nachweisbar sein, so ergäbe sich hierdurch ein direkter Anknüpfungspunkt für den § 444 BGB. Sollten Mängelansprüche gegen den Errichter des Gebäudes noch im Raum stehen, könnte die Abtretung dieser Rechte im Kaufvertrag zu formulieren sein. So stellt der BGH klar, dass das Nichtbestehen von Mängelansprüchen durchaus Ansprüche aus einer Verletzung von Leistungs- oder Aufklärungspflichten auslösen kann. Soweit durch einen Verstoß gegen das SchwarzArbG wegen § 134 BGB keine Mängelansprüche bestünden, ergäbe sich auch insoweit ein möglicher Anknüpfungspunkt für § 444 BGB.

Bei beiden genannten Möglichkeiten, auch unabhängig vom Vorliegen eines technischen Mangels, Mängelansprüche trotz eines bestehenden Haftungsausschlusses wieder zu erlangen, gilt es jedoch zu bedenken, dass der Käufer im Rahmen von § 444 BGB die fehlende Aufklärung bzw. den Arglistvorwurf behaupten und beweisen muss. Dies umfasst auch den bedingten Vorsatz des Verkäufers.


D. In der Prüfung

Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 , 3, 281 Abs. 1, 434,433 BGB

I. Kaufvertrag gem. § 433 BGB (+)

II. Sachmangel gem. § 434 BGB

1. Beschaffenheitsvereinbarung § 434 Abs. 1 S. 1 BGB

2. vertragl. vorausgesetzte Verwendung § 434 Abs. 1 S.2 Nr. 1 BGB

3. übliche Beschaffenheit § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB

a) fehlende Abdichtung

b) Errichtung unter Verstoß gegen § 1 II SchwarzArbG (P)

VII. Kein Ausschluss der Gewährleistung

1. Haftungsausschluss des Verkäufers nach § 444 BGB

a) Voraussetzung und Anknüpfungspunkt der Arglist (P)


E. Literaturhinweise

Stamm, Auswirkung von Schwarzarbeit auf den Verkauf einer Imobilie in: NZBau 2022, 15.

 
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