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Entscheidung der Woche 07-2024 (SR)

Clara Kittelmann

Beihilfe kommt auch in der Form sog. psychischer Beihilfe in Betracht, indem der Haupttäter ausdrücklich oder auch nur konkludent in seinem Willen zur Tatbegehung, sei es auch schon in seinem Tatentschluss, bestärkt wird.

Aktenzeichen & Fundstelle Az: BGH AK 90/23

in: NStZ-RR 2024, 43,

BeckRS 2023, 381

 

A. Orientierungs- oder Leitsätze

1. Beihilfe kommt auch in der Form sog. psychischer Beihilfe in Betracht, indem der Haupttäter ausdrücklich oder auch nur konkludent in seinem Willen zur Tatbegehung, sei es auch schon in seinem Tatentschluss, bestärkt wird. Die Annahme allein psychischer Beihilfe bedarf genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion sowie zur entsprechenden Willensrichtung des Gehilfen sowie ggf. zu einer konkludenten Verständigung zwischen Haupttäter und dem Gehilfen.

2. Der Gehilfenvorsatz muss die Unterstützungshandlung umfassen und sich auf die Vollendung einer vorsätzlich begangenen Haupttat richten, wobei es genügt, dass der Gehilfe die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere ihren Unrechtsgehalt und ihre Angriffsrichtung erkennt.


B. Sachverhalt

Der Angeschuldigte S., der bereits Anfang der 90er Jahre von nationalsozialistischen Überzeugungen geprägt und Anführer der rechtsextremistischen Skinhead-Szene war, besuchte am Abend des 18. September 1991 mit zwei Gleichgesinnten, Sc. und Sch., eine Gaststätte. Während einer Unterhaltung über die damals gehäuft auftretenden Anschläge auf Asylbewerberheime sagte S. nach Angaben mehrerer Zeugen zu seinen Begleitern "hier müsste auch mal sowas" brennen oder passieren. Dabei war er sich dessen bewusst und nahm aufgrund seiner Überzeugung in Kauf, dass er angesichts seiner einflussreichen Stellung in der „rechten Szene" die anderen zu einem Angriff auf eine Flüchtlingsunterkunft mit möglicherweise tödlichen Folgen für dessen Bewohner veranlassen könnte.

Nachdem die drei Gesinnungsgenossen nach Verlassen der Gaststätte getrennte Wege gegangen waren, beschaffte sich Sch. einen Benzinkanister und setzte aus Fremdenhass ein nahe gelegenes Heim für Asylbewerber in Brand. Der Brandstifter war sich darüber im Klaren, dass die Bewohner nicht mit einem Angriff rechneten, dass er die Ausbreitung der Flammen nicht kontrollieren konnte und so eine unbestimmte Anzahl an Menschen in Gefahr brachte. Das Feuer erfasste einen Bewohner, der noch am selben Tag an den Folgen von Verbrennungen am ganzen Körper und einer Rauchvergiftung starb. Mit Ausnahme von zwei weiteren Personen, die sich bei einem Sprung aus dem Fenster mehrere Knochenbrüche zugezogen, konnten sich die übrigen 18 Heimbewohnern unversehrt in Sicherheit bringen.


C. Anmerkungen In dieser Entscheidung befasst sich der BGH mit den Voraussetzungen der sog. psychischen Beihilfe. Hilfeleistung i.S.d. § 27 I StGB sei grundsätzlich jede Handlung, welche die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Haupttäter aktiv fördert oder erleichtert. Nicht erforderlich sei, dass diese in irgendeiner Weise kausal für den Eintritt des Erfolges in seiner konkreten Gestalt wird. Darüber hinaus könne Beihilfe bereits im Vorbereitungsstadium der Tat geleistet werden, selbst zu einem Zeitpunkt, in dem der Haupttäter noch nicht zur Tatbegehung entschlossen ist. Beihilfe könne zudem auch in Form der sog. psychischen Beihilfe in Betracht kommen. Dies ist dann der Fall, wenn der Haupttäter ausdrücklich oder auch nur konkludent in seinem Willen zur Tatbegehung, sei es auch schon in seinem Tatentschluss, bestärkt wird. Die Annahme einer rein psychischen Beihilfe bedürfe allerdings genaueren Feststellungen. Insbesondere sei die objektiv fördernde Funktion und die Willensrichtung des Gehilfen sowie gegebenenfalls eine konkludente Verständigung zwischen Haupttäter und dem Gehilfen zu untersuchen.

Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands gelten geringere Anforderungen als bei der Anstiftung. Der Gehilfenvorsatz müsse die Unterstützungshandlung umfassen und auf die Vollendung einer vorsätzlich begangenen Haupttat gerichtet sein; es genüge jedoch, dass der Gehilfe die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechtsgehalt und Angriffsrichtung, erkenne.

Der BGH sieht die Voraussetzungen sowohl des objektiven als auch des subjektiven Tatbestands der psychischen Beihilfe im vorliegenden Fall als erfüllt an. Der Angeschuldigte S. habe den Sch. mit seiner Aufforderung zu seiner Tat ermutigt, wenn nicht sogar einen entscheidenden Impuls für dessen Handeln gegeben.

Insbesondere die führende Rolle des S. in der „rechte Szene", sein individueller Einfluss auf den Sch. und die durch vergleichbare Anschläge aufgeheizte Stimmung legen diesen Verdacht nahe. In subjektiver Hinsicht sei sich S. - angesichts der sich dem Gericht dargestellten Verdachtslage - sowohl seiner einflussreichen Rolle auf den Sch. als auch des Kontextes seiner Äußerung bewusst gewesen. Da sich seine Worte dahingehend verstehen ließen, dass ein von Ausländern bewohntes Gebäude in der Umgebung aus fremdenfeindlicher Gesinnung in Brand gesetzt werden sollte und dabei Menschen zu Tode kommen könnten, seien Unrechtsgehalt und Angriffsrichtung in wesentlichen Zügen erkennbar.


D. In der Prüfung

1. Objektiver Tatbestand

a) Taterfolg

b) Tathandlung: Hilfeleisten in Form rein psychischer Beihilfe

c) Kausalität

2. Subjektiver Tatbestand


E. Literaturhinweise Rengier, Strafrecht AT, 15. Auflage 2023, § 45 Rn. 88 ff.

 
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