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Entscheidung der Woche 08-2019 (SR)

Malte Gauger

Durch die Entwendung von Pfandflaschen zur späteren Rückgabe in das Pfandsystem erfüllt der Täter § 242 Abs. 1 StGB.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH 4 StR 591/17

in: NJW 2018, 3598

NStZ-RR 2019, 45

LSK 2018, 26807

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Voraussetzung für die erforderliche Zueignungsabsicht bei der Entwendung von Pfandflaschen mit Absicht der Zurückführung in das Pfandsystem gegen Erhalt des Pfandbetrages ist, dass der Täter die Flaschen unter Leugnung des Eigentumsrechts des wahren Eigentümers in das Pfandsystem zurückgelangen lassen, er sich also eine eigentümerähnliche Stellung anmaßen wolle.

(Orientierungssatz der Redaktion)


B. Sachverhalt

A gelangt durch ein Loch im Zaun auf das Gelände eines Getränkemarktes. Dort entwendet er zahlreiche, zumeist nach Abgabe durch die Verbraucher bereits zusammengepresste Plastikpfandflaschen. Der Pfandwert beträgt 325 Euro. Er beabsichtigt, die Flaschen auszubeulen und das gesamte Pfandleergut nochmals abzugeben, um dafür erneut den Pfand zu erhalten.

Hat sich A gem. § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht?


C. Anmerkungen

Für die Eigentumsverhältnisse an der jeweiligen Pfandflasche auf den verschiedenen Vertriebsstufen bis hin zum Endverbraucher sei deren konkrete Beschaffenheit maßgeblich. Ist die Flasche mit besonderen Kennzeichnungen oder Merkmalen versehen, die sie als Eigentum eines bestimmten Herstellers ausweist (Individualflasche), verbleibe das Eigentum beim Hersteller. Mangels zivilrechtlicher Einigung finde eine Eigentumsübertragung nicht statt. Weise die Flasche solche Individualmerkmale nicht auf und wird von einigen Herstellern verwendet (Einheitsflasche), gehe auch das Eigentum an der Flasche selbst an den Erwerber über.

Nach dem BGH setzt die Zueignungsabsicht voraus, dass entweder die Sache selbst oder der in ihr verkörperte Sachwert dem Vermögen des Berechtigten dauerhaft entzogen und dem des Nichtberechtigten zumindest vorübergehend einverleibt werden soll. Hiervon sei der mit der Sache erzielbare Veräußerungserlös nicht erfasst.

Voraussetzung für die erforderliche Zueignungsabsicht sei, dass der Täter die Flaschen unter Leugnung des Eigentumsrechts des wahren Eigentümers in das Pfandsystem zurückgelangen lassen, er sich also eine eigentümerähnliche Stellung anmaßen wolle. Maßgeblich sei hierbei die Vorstellung des Täters über die Eigentumsverhältnisse und die Folgen der Rückführung in das Pfandsystem.

Bei der Wegnahme von Einheitsflaschen sei Zueignungsabsicht zu bejahen, wenn der Täter bei zutreffender Einschätzung der Eigentumslage in der Absicht handele, das dem Eigentümer entwendete Pfandleergut gegen Erstattung des Pfandbetrags in das Pfandsystem zurückzuführen. In diesem Fall beabsichtige er, die Stellung des wahren Eigentümers zu leugnen und eine Berechtigung vorzutäuschen. Bei der Wegnahme von Individualflaschen könne es sich anders verhalten, wenn der Täter bzgl. der Eigentumsverhältnisse erkenne, dass das Eigentum der entwendeten Individualflaschen beim Hersteller/Abfüller verbleibt.

Liege die Vorstellung des Täters bei Individualflaschen so wie die bei der Wegnahme von Einheitsflaschen, handele er ebenso mit Zueignungsabsicht. Unerheblich sei daher, dass die Flaschen systembedingt wieder zum Eigentümer zurückkehrten. Vielmehr sei ausreichend, dass der Täter wie der Eigentümer verfüge.

A hat sich also gem. § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.


D. In der Prüfung

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz

b) Zueignungsabsicht


E. Zur Vertiefung

Zur Wiederholung der Vereinigungstheorie: Rengier, Strafrecht BT II, 19. Aufl. 2018, § 2 Rn. 97ff;

Weiterhin: Hoven, Anm. zu BGH, Beschl. v. 10.10.2018 - 4 StR 591/17, NJW 2018, 3599.

 

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