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Entscheidung der Woche 08-2024 (ÖR)

Hendrik Stottmann

Der von Art. 79 III GG geschützte Regelungsinhalt wird durch Art. 21 III GG nicht berührt.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BVerfG, Urt. v. 23.01.2024 - BvB 1/19

Fundstelle: BeckRS 2024, 444

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze (gekürzt)

1. Die von Art. 79 III GG umfassten Inhalte genießen absoluten Bestandsschutz.

2. a) Der von Art. 79 III GG geschützte Regelungsinhalt wird durch Art. 21 III GG nicht berührt.

b) Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG knüpft den Ausschluss von staatlicher Finanzierung daran, dass die betroffene Partei selbst die Beseitigung der für den demokratischen Wettbewerb konstitutiven freiheitlichen Grundordnung anstrebt oder den Bestand des Staates angreift. Damit betrifft er nur solche Parteien, deren chancengleiche Beteiligung an der politischen Willensbildung nicht Teil des grundgesetzlichen Demokratiekonzepts im Sinne des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG ist.

3. Ein „Darauf Ausgerichtetsein“ im Sinne von Art. 21 Abs. 3 Satz 1 GG setzt ein qualifiziertes und planvolles Handeln zur Beseitigung oder Beeinträchtigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder zur Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland voraus, ohne dass es auf das Erfordernis der Potentialität ankommt.

B. Sachverhalt

Das Verfahren betrifft den Antrag von Deutschem Bundestag, Bundesrat und der Bundesregierung (Antragssteller) auf Feststellung, dass die Partei Die Heimat (Antragsgegnerin) von der staatlichen (Teil-)Finanzierung für politische Parteien ausgeschlossen ist.

Mit Urteil vom 17. Januar 2017 (BverfGE 144, 20) bestätigte der Zweite Senat zuletzt, dass die Antragsgegnerin nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebe.

Weil aber konkrete Anhaltspunkte von Gewicht dafür fehlten, dass ein Erreichen der Ziele der Antragsgegnerin möglich erscheinen ließen (Potentialität), scheiterte der Antrag dennoch.

In der Vergangenheit flossen der Antragsgegnerin nicht unerhebliche Beiträge aus der staatlichen Parteienfinanzierung zu. Nach der Bundestagswahl 2021 verlor sie jedoch infolge unzureichender Wahlergebnisse ihren Anspruch auf staatliche Mittel.


C. Anmerkungen

Der zulässige Finanzierungsausschlussantrag ist begründet. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den in Art. 21 Absatz 3 Satz 1 GG verankerten Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Finanzierung. Der Art. 21 Absatz 3 GG berührt die von Art. 79 Absatz 3 geschützten Regelungsgehalte nicht. Das durch Art. 79 Absatz 3 geschützte Demokratieprinzip umfasst den Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien nur soweit, wie die Parteien selbst grundsätzliche demokratische Werte achten. Die Antragsgegnerin wendet sich weiterhin gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Sie missachtet die Menschenwürde von Ausländern, Migranten und Minderheiten sowie das Demokratieprinzip. Sie schließt diejenigen aus dem demokratischen Prozess aus, die der ethnisch definierten "Volksgemeinschaft" nicht angehören. Sowohl das Konzept der „Volksgemeinschaft“ als auch die antisemitische Grundhaltung und die Verächtlichmachung der bestehenden demokratischen Ordnung lassen deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus erkennen.

Die Antragsstellerin ist zudem auf die Beseitigung der Grundordnung ausgerichtet. Dies erfordert, dass neben dem Bekennen zu verfassungsfeindlichen Zielen die Grenze zum Bekämpfen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung überschritten wird. Die Antragsgegnerin hat bis zum Jahr 2020 an der staatlichen Parteienteilfinanzierung teilgenommen. Hierauf besteht ein Anspruch nur bei Erreichen von 0,5 % der Stimmen bei der letzten Bundestags- oder Europawahl oder 1 % bei einer Landtagswahl. Entsprechende Wahlergebnisse können nicht erreicht werden ohne eine hinreichende Organisation, ein politisches Konzept, ein ausreichendes Maß an Öffentlichkeitsarbeit und den ernsthaften Versuch der Verwirklichung ihrer politischen Ziele.

D. In der Prüfung

I. Zulässigkeit

II. Begründetheit

1. Verfassungsmäßigkeit des Art. 21 Abs. 3 GG

2. Beeinträchtigung/Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung

3. Gefährdung der Bundesrepublik Deutschland

E. Literaturhinweise

Blum, https://www.juraexamen.info/bverfg-zum-ausschluss-der-partei-die-heimat-vormals-npd-von-der-staatlichen-parteienfinanzierung/ (Abruf: 18.02.2024);

Kluth in: BeckOK GG, Art. 21 Rn. 212a ff.

 
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