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Entscheidung der Woche 09-2019 (ÖR)

Floriane Willeke

Die Datenerhebungen im Rahmen des Tests zum Zensus 2021 ist nach einer Folgenabwägung gegenüber Datenschutzgründen kein unverhältnismäßiger Eingriff und darf fortgesetzt werden.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BVerfG, Beschl. v. 06.02.2019, 1 BvQ 4/19

in: www.bverfg.de

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Die Datenerhebungen im Rahmen des Tests zum Zensus 2021 ist nach einer Folgenabwägung gegenüber Datenschutzgründen kein unverhältnismäßiger Eingriff und darf fortgesetzt werden.


B. Sachverhalt (verkürzt)

Die Europäische Union hat mit Erlass der Verordnung (EG) Nr. 763/2008 vom 13.08.2008 die Mitgliedsstaaten verpflichtet, alle zehn Jahre eine Volks-, Gebäude- und Wohnungszählung durchzuführen (Zensus). Diese soll im Jahr 2021 stattfinden. Das dafür in Deutschland erlassene Zensusvorbereitungsgesetzes 2021 (ZensVorbG 2021) sieht in § 9a eine zentrale Erfassung, Speicherung und Verarbeitung nicht anonymisierter Meldedaten durch das Statistische Bundesamt vor. Der „Testlauf“ erfolgt zum Zweck der Prüfung der Übermittlungswege, der Qualität der zu übermittelnden Daten sowie zum Test der erforderlichen Software. Verarbeitet werden unter anderem Name, Wohnanschrift, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Familienstand sowie Religionszugehörigkeit. Die Daten sollen für bis zu zwei Jahre gespeichert werden.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) stellte einen Eilantrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim BVerfG. Sie macht geltend, in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GGverletzt zu sein. Die Übermittlung nicht anonymisierter Daten berühre den Kernbereich der privaten Lebensführung. Ein derartiger Eingriff sei im Rahmen einer Erprobung und Optimierung des Zensus 2021 unverhältnismäßig. Deshalb sei der Testlauf nicht durchzuführen. Verfassungsbeschwerde hat die GFF noch nicht erhoben.


C. Anmerkungen

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig aber unbegründet. Das BVerfG lehnt diesen im Rahmen einer Folgenabwägung ab.

Nicht nur vor den Verwaltungsgerichten, sondern auch vor dem BVerfG gibt es Eilrechtsschutzverfahren. Eine einstweilige Anordnung kann dann erlassen werden, wenn diese zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist, § 32 Abs. 1 BVerfGG. Auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache kommt es dabei nicht an, es erfolgt anders als bei den §§ 80 Abs. 5, 123 VwGO keine summarische Prüfung. Sofern der in der Hauptsache gestellte Antrag nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, hat das BVerfG eine Folgenabwägung vorzunehmen (sog. Doppelhypothese).

Dabei hat es die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung erginge, die Verfassungsbeschwerde jedoch erfolglos wäre, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung abgelehnt würde, die Verfassungsbeschwerde letztlich aber Erfolg hätte. Die eventuelle Verfassungsbeschwerde sei laut BVerfG unter den aktuellen Gegebenheiten weder offensichtlich unzulässig noch unbegründet.

Deshalb ist eine Abwägung zwischen möglicherweise unverhältnismäßiger Datenverarbeitung und einem Eingriff in die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit

vorzunehmen.

Die im ZensVorbG 2021 genannten Verwendungszwecke seien eng begrenzt. So dürften die erhobenen Daten allein für Zwecke im Rahmen des Testlaufs zum Zensus 2021 verwendet werden. Zudem stelle das ZensVobG 2021 strenge Geheimhaltungsvorgaben auf. Dadurch werde ein Schutzniveau gewährleistet, durch welches Nachteile aus einer möglicherweise unverhältnismäßigen Datenverarbeitung gegenüber dem Interesse an einer reibungslosen Durchführung des Zensus 2021 nicht überwiegen würden.


D. In der Prüfung

§ 32 I BVerfGG

I.Zulässigkeit

II. Begründetheit

1. Keine offensichtliche Unzulässigkeit / Unbegründetheit der Hauptsache

2. Folgenabwägung


E. Zur Vertiefung

BVerfG, Beschluss vom 28.06.2017, 1 BvR 1387/17.

 

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