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Entscheidung der Woche 09-2024 (ZR)

Hawa Etemadi

Der Vermieter von E-Rollern haftet nicht aus einer Gefährdungshaftung als Halter, da E-Roller als Elektrokleinstfahrzeuge von der Anwendung des § 7 StVG ausgeschlossen sind.

Aktenzeichen und Fundstelle

Az.: OLG Bremen, Urt. v. 15.11.2023 - 1 U 15/23

Fundstelle: BeckRS 2023, 31723

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze

1. Der Vermieter von E-Rollern haftet nicht aus einer Gefährdungshaftung als Halter, da E-Roller als Elektrokleinstfahrzeuge von der Anwendung des § 7 StVG ausgeschlossen sind.

2. Der Vermieter von E-Rollern genügt grundsätzlich seinen Verkehrsicherungspflichten bezüglich der Art und Weise des Aufstellens der E-Roller, wenn er die hierzu ergangenen Bestimmungen der behördlichen Sondernutzungserlaubnis beachtet, die ihm die Nutzung der öffentlichen Straßen über den Gemeingebrauch hinaus gestattet.

3. Eine über die Bestimmungen der behördlichen Sondernutzungserlaubnis hinausgehende Verpflichtung des Vermieters von E-Rollern, diese so aufzustellen, dass jedes erdenkliche Schadensszenario ausgeschlossen ist, besteht nicht, da dies im Ergebnis einer Gefährdungshaftung entsprechen würde, die nach § 8 Nr. 1 StVG ausgeschlossen ist.


B. Sachverhalt

Der Kläger, ein blinder Fußgänger, benutzt einen Langstock im Straßenverkehr zur Orientierung. Der Beklagte vermietet gewerblich E-Roller im sog. free-floating-Modell, d.h. ohne festen Standort der E-Roller. Das Ordnungsamt erteilte dem Angeklagten eine Sondernutzungserlaubnis zur Einbringung von bis zu 500 E-Rollern im öffentlichen Straßenverkehr der Stadtgemeinde.

Diese Erlaubnis beinhaltet Bestimmungen zur Sicherheit im Straßenverkehr, insbesondere für Senioren, Kinder, Menschen mit Behinderungen und bezüglich der Abstände der aufgestellten E-Roller. Am 28.07.2020 verunfallte der Kläger, indem er über zwei auf dem Gehweg befindliche E-Roller des Beklagten stürzte. Durch den Sturz erlitt der Kläger einen Oberschenkeslhalsbruch, der operativ behandelt werden musste. Die Roller standen parallel zur Hauswand und blockierten den Gehweg. Der Kläger hat vorgetragen, er sei mit seinen Langstock an der "inneren Leitlinie" entlang der Hauswand orientierend auf dem Gehweg gelaufen und habe den ersten Roller noch als Hindernis wahrgenommen. Beim Übersteigen des ersten Rollers sei er sodass auf den zweiten Roller getreten und dabei gestolpert und infolgedessen schwer gestürzt. Er habe nicht erkennen können, dass es sich um zwei Roller gehandelt habe.


C. Anmerkungen

Das OLG Bremen prüfte zunächst einen möglichen Anspruch aus

§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 11 S. 2 StVG. Zwar bejahte das OLG, unter Bezugnahme auf die heute herrschende verkehrstechnische Auffassung, dass sich auch bei auf dem Gehweg abgestellten E-Rollern, sich die typische Betriebsgefahr eines Kfz realisiert.

Jedoch verneinte das Gericht dies letztendlich aufgrund des Ausschlussgrundes nach § 8 Nr. 1 StVG. Dabei sah das Gericht E-Roller als Elektrokleinstfahrzeuge i.S.d. § 8 Nr. 1 StVG an und begründete dies mit der maximalen Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h. Auch der im weiteren geprüfte Anspruch auf Schmerzensgeld aus § 823 Abs. 1 i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB wurde vom Gericht abgelehnt. Um zunächst, innerhalb der Prüfung des §

823 BGB, ein Unterlassen anzunehmen, kann sich eine Rechtspflicht zum Handeln aus einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ergeben. Eine solche Pflicht besteht, wenn jemand in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft. Der Beklagte verleiht sowie stellt gewerblich E-Roller in der Stadtgemeinde auf, sodass die von den E-Rollern ausgehenden Gefahren im Verantwortungsbereich des Beklagten liegen und eine Verkehrssicherungspflicht somit bestand.

Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hat das OLG hier abgelehnt. Begründet wurde dies damit, dass der Beklagte die Anforderungen aus der Sondernutzungserlaubnis erfüllte. Die Art und Weise des Aufstellens der Roller entsprach hinsichtlich der darin konkret geregelten Abstände und Maße den Bestimmungen der Sondernutzungserlaubnis. Diese machen auch in Bezug auf die weitere Art und Weise des Aufstellens der E-Roller keine konkreten Vorgaben, insbesondere gibt sie nicht vor, ob die Roller längs oder quer zum Gehweg aufzustellen sind.

Die Unfallörtlichkeit selbst birgt an sich keine besonderen Gefahren, auch wurden die Belange von besonders schutzbedürftigen Menschen beachtet. Hier stand noch ausreichen Gehweg zur Verfügung. Eine allgemeine Pflicht, die E-Roller so zu platzieren, dass jedes erdenkliche Schadensszenario durch die E-Roller ausgeschlossen sein muss, besteht grundsätzlich nicht. Dies würde sonst zu einer Gefährdungshaftung, wie bei § 7 StVG führen, die gerade durch § 8 Nr. 1 StVG ausgeschlossen sein soll.


D. In der Prüfung

§ 823 Abs. 1 i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB

1. Rechtsgutsverletzung

2. Unterlassen

a) Verkehrssicherungspflicht

b) Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (P)


E. Literaturhinweise

BeckOGK/Spindler, § 823 Rn. 94, 415 ff.

Grüneberg/Sprau, § 823 Rn. 51 ff.

 
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