Entscheidung der Woche 10-2018 (ÖR)
Jendrik Wüstenberg
Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.2018 ist polemische Kritik an einer in der DDR zum Tode verurteilten Person, die später in der Bundesrepublik rehabilitiert wurde, durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt.
Wo?
Az.: BVerfG, 1 BvR 2465/13
in: BeckRS 2018, 1466
Was?
BVerwG, Beschluss vom 24.01.2018
Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.2018 ist polemische Kritik an einer in der DDR zum Tode verurteilten Person, die später in der Bundesrepublik rehabilitiert wurde, durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt. Der politische Kontext einer Meinungsäußerung ist bei der Beurteilung, ob diese Äußerung zulässig ist, miteinzubeziehen.
Es besteht keine Pflicht, Rehabilitationsmaßnahmen der Bundesrepublik zu billigen oder Handlungen von Widerstandskämpfern gegen das DDR-Regime dahingehend zu würdigen, dass in ihnen ein Beitrag zum Widerstand gegen die DDR-Diktatur lag.
Warum?
Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist immer wieder mit strafrechtlichen Normen wie der Beleidigung oder, wie hier geschehen, der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener in Einklang zu bringen.
Ein Klausurbearbeiter muss hier zunächst erkennen, dass es sich bei den Äußerungen des Beschwerdeführers um Werturteile handelt, die vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst sind. Bei der Eröffnung des Schutzbereichs kommt es nicht auf die Richtigkeit, den Wahrheitsgehalt oder die Rationalität einer solchen Äußerung an.
Im Original betrieb der Beschwerdeführer eine Website, auf der er sich kritisch mit der Aufarbeitung der DDR durch die Bundesrepublik auseinandersetzte und diese als einseitig bezeichnete. Ein solches Szenario kann für Klausuren sehr einfach umgestaltet werden. Hier sind Varianten denkbar, in denen solche Äußerungen z. B. in Vorträgen, Zeitungsartikeln, Büchern, Reden oder Interviews fallen.
Im Rahmen der Prüfung der Rechtfertigung muss dann umfangreich zwischen dem Achtungsanspruch des Verstorbenen einerseits und der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers abgewogen werden. Hier ist dann besonders auf die Angaben bzgl. des Kontexts, in dem diese Äußerungen im Sachverhalt getätigt wurden, einzugehen.
Vertiefungsaufgabe
Parallelen finden sich hier zur Rechtsprechung des BVerfG in Bezug auf Äußerungen von Amtsträgern. Auch bei diesen ist zu prüfen, in welchem Umfeld und Kontext polemische Äußerungen fallen. Hierzu sollten die Entscheidungen BVerfGE 138, 102-125 sowie BVerfGE 136, 323-338 gelesen und aufgearbeitet werden.