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Entscheidung der Woche 13-2022 (ÖR)

Btissam Boulakhrif

§ 315 d StGB ist mit dem GG vereinbar.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BVerfG – 2 BvL 1/20 –

in: BeckRS 2022, 2993

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

1. § 315 d StGB ist mit dem GG vereinbar.

2. Die Vorlage im Zwischenverfahren steht der Entscheidungserheblichkeit gem. Art. 100 Abs. 1 GG nicht entgegen.

3. § 315d StGB verstößt nicht gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG.


B. Sachverhalt

Das Amtsgericht Villingen-Schwenningen legte dem BVerfG die Frage vor, ob der § 315d StGB mit dem GG vereinbar ist. Im entsprechenden Gerichtsverfahren vor dem AG wird dem Angeklagten eine Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 1, § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, § 52 StGB wegen einer Polizeifluchtfahrt bei dem dieser Geschwindigkeiten von 80 bis 100 km/h erreicht habe, vorgeworfen. Das Gericht ist der Überzeugung, dass die Norm gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG verstößt.


C. Anmerkungen

Die Vorlage ist laut BVerfG entscheidungserheblich. Dabei schade es auch nicht, dass diese bereits im Zwischenverfahren erfolgt ist. Das Gericht sei zur Prüfung aller rechtlichen Gesichtspunkte auch bereits im Zwischenverfahren verpflichtet. Darunter falle auch die Frage, welche Normen überhaupt angewandt werden können.

Eine spätere Entscheidung des BGH zu der Frage sei ebenfalls unschädlich. Es existiere keine verfassungsprozessuale Pflicht der Gerichte, auch nach Vorlage an das BVerfG, den Vorlagebeschluss später erneut zur Prüfung zu stellen. Ob der Bestimmtheitsgrundsatz verletzt ist, sei laut BVerfG durch eine wertende Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Der Senat entschied hier, dass das Bestimmtheitsgebot gewahrt sei, denn zum einen sei es möglich den Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 1 StGB mittels der gewöhnlichen Auslegungsmethoden auszulegen und zum anderen gehe auch das Absichtserfordernis des § 315d StGB nicht in der Definition der weiteren Tatbestandsmerkmale vor, sodass auch kein Verstoß gegen die sog. Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen angenommen werden könne.

Der Senat stellte auch fest, dass die Reichweite des Art. 7 EMRK, welcher das Bestimmtheits- und Klarheitsgebot normiert nicht über die des Art. 103 Abs. 2 GG hinausgeht. Durch die hinreichende Konkretisierung der Norm, sei gleichzeitig auch das Bestimmtheitsgebot aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 3 GG gewahrt.

Schließlich prüfte das Gericht auch eine Vereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 1 GG und stellte hierbei eine Vereinbarkeit der Norm des § 315d StGB mit dem Grundrecht der Allgemeinen Handlungsfreiheit fest. Insbesondere sei auch die Verhältnismäßigkeit gegeben. So fördere die Norm durch die Strafbewehrung die Sicherheit des Straßenverkehrs effektiver als das Ordnungswidrigkeitenrecht. Weiterhin stelle sie auch ein angemessenes Mittel im Hinblick auf das hohe Rechtsgut des Lebens, welches über die Sicherheit des Straßenverkehrs geschützt werden solle, dar.


D. In der Prüfung

Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG

1. Zulässigkeit

a. Vorlageberechtigung

b. Vorlagegegenstand

c. Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit

d. Entscheidungserheblichkeit

e. Form und Begründung, §§ 80 Abs. 2, 23 Abs. 1 BVerfGG

2. Begründetheit

a. Bestimmtheitsgrundsatz, Art. 103 Abs. 2 GG

b. Grundsatz der Gewaltenteilung, Art. 20 Abs. 3 GG

c. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG

aa. Schutzbereich

bb. Eingriff

cc. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

bb. Schranken-Schranken


E. Literaturhinweise

AG Villingen Schwenningen, SVR 2020, 146 (mit Anm. Krumm);

Krumm, Illegale Rennen – der Alleinraser!, SVR 2020, 8;

BGH, Verbotenes „Alleinrennen“ – Geschwindigkeitsüberhöhung und Absicht, NJW 2021, 1173 (mit Anm. Hoven);

Müller/Rebler, Nicht angepasste Geschwindigkeit und höchstmögliche Geschwindigkeit – die verfassungsrechtliche Problematik des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, SVR 2020, 245.

 

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