Entscheidung der Woche 15-2022 (SR)
Johanna Lange
n.v.
Aktenzeichen & Fundstelle
Az.: BGH 3 StR 450/20
in: NStZ 2022, 163
StV 2022, 171
A. Orientierungs- oder Leitsatz
n.v.
B. Sachverhalt
Eine Mutter, deren Beziehung von Gewalt und körperlichen Aggressionen ihres Partners ihr gegenüber geprägt war und welche aufgrund dessen bereits einen erfolglosen Suizidversuch durchlebt hatte, beauftragte ihren Sohn damit, jemanden zu finden, der ihrem gewalttätigen Partner eine „Tracht Prügel“ verpasste. Dafür gab sie ihm 2.500 Euro. Dabei äußerte sie, dass sie „ihm am liebsten mal einen Stein vor den Kopf hauen“ würde. Der Sohn wandte sich daraufhin an einen Berufsschulkameraden, der wiederum diesbezüglich einen weiteren Dritten ansprach. Zu dritt beschlossen sie, dem Partner der Mutter zu geben, „was er verdiene“. Dass er dabei krankenhausreif oder bewusstlos werden würde, wollten die beiden Kameraden dem Sohn nicht versprechen. Sie sollten für die Tat 1.500 Euro bekommen. Der Sohn versicherte auf Frage der anderen beiden, dass nicht damit gerechnet werden müsste, dass seine Mutter ihrem Partner noch einen Stein auf den Kopf fallen ließe.
Am Abend fuhren sie zusammen zu dem Campingplatz, wo die Mutter mit ihrem Partner lebte. Einer der Kollegen trug ein Teleskopschlagstock bei sich, der andere ein Pfefferspray. Alle drei nahmen den Gebrauch der Gegenstände billigend in Kauf. Während die Mutter einen Toilettenbesuch vortäuschte, drangen die beiden Kollegen in den Wohnwagen ein und schlugen auf das Opfer unter mehrfachem Einsatz ihrer bei sich geführten Gegenstände und weiterer herumliegenden Gegenstände sowie ihrer Körperteile, ein. Das Opfer wurde dabei nicht lebensbedrohlich verletzt – den Tod nahmen sie auch nicht billigend in Kauf. Sodann fuhren die beiden Täter mit dem Sohn von dannen.
Die Mutter fand ihren verletzten Partner im Wohnwagen vor und schlug – in Tötungsabsicht – mehrfach mit einem Pflasterstein auf seinen Kopf ein. Dann würgte sie ihn, bis er starb. Die Todesursache – eine Kombination aus Erstickungsgeschehen und Schädel-Hirn-Trauma – wird der Mutter zugerechnet, nicht den Berufsschulkollegen des Sohnes.
Gefragt ist nach der Strafbarkeit des Sohnes sowie der der beiden Kollegen.
C. Anmerkungen
Es stellt zunächst keinen Widerspruch dar, dass das Opfer zunächst reglos und kampfunfähig am Boden lag, aber nicht lebensgefährlich verletzt wurde. Die engagierten Täter und der Sohn sind nicht gem. § 227 StGB strafbar. Sie versetzten ihn zwar in eine Situation, in der die Mutter in der Lage war, ihn zu töten und begründeten damit eine Kausalreihe für den Tod eines Menschen. Jedoch ist das eigenverantwortliche Handeln der erwachsenen Frau den Tätern nicht zurechenbar.
Bei der mittelbaren Verursachung einer vollverantwortlich begangenen fremden Vorsatztat ist streitig, ob eine Erfolgszurechnung über eine fahrlässige Täterschaft des Hintermanns überhaupt möglich ist. Voraussetzung der Zurechnung ist jedoch unstreitig, dass der Erfolgseintritt für die Angeklagten vorhersehbar war. Im Sinne des Fahrlässigkeitstatbestands voraussehbar ist, was der Täter nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der konkreten Tatsituation als möglich hätte vorhersehen können. Nicht anzunehmen ist dies bei solchen Ereignissen, die so sehr außerhalb der gewöhnlichen Erfahrungen liegen, dass der Täter auch bei der nach den Umständen des Falles gebotenen und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen zuzumutenden Sorgfalt nicht mit ihnen rechnen muss. Eingetretene Folgen könneninsbesondere außerhalb der Lebenserfahrung liegen, wenn sich in den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Täters und dem Erfolg bewusste oder unbewusste Handlungen dritter Personen einschalten, gerade wenn der Beitrag anderer Personen zum Geschehen in einem gänzlich vernunftwidrigen Verhalten besteht.
Der Geschehensablauf lag danach betrachtet außerhalb der Lebenserfahrung und war für die drei jungen Menschen nicht vorhersehbar. Sie haben nicht damit rechnen müssen, dass die Mutter, die sich über lange Zeit nicht gegen ihren Partner gewehrt hat, ihn nun mit dem Stein und dem Würgen töten würde. Sie wollte ihm schließlich gemäß der Äußerung gegenüber ihrem Sohn nur einen „Denkzettel“ verpassen.
Somit war der Erfolgseintritt nicht vorhersehbar und eine Strafbarkeit gem. § 227 StGB scheidet aus.
D. In der Prüfung
A. Strafbarkeit des Sohnes und der beiden Kollegen gem. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB (+)
B. Strafbarkeit der drei gem. § 227 StGB
I. Tatbestand
a. Grunddelikt
b. Eintritt der schweren Folge
c. Kausalität zwischen Grunddelikt und schwerer Folge
d. Fahrlässigkeit im Hinblick auf die schwere Folge
II. Ergebnis (-)
E. Literaturhinweise
BGH, Urteil vom 26. 11. 2019 – 2 StR 557/18 BGHSt 64, 217 Rn. 52 f.