Entscheidung der Woche 16-2020 (SR)
Btissam Boulakhrif
Das Feststellungsinteresse resultiert aus der organschaftlichen Stellung des Klägers und der mit dem Handschlag zusammenhängenden Begründung dieser, sowie aus einem bestehenden Rehabilitationsinteresse, aufgrund des herabsetzenden Charakters der Verweigerung des Handschlags.
Aktenzeichen & Fundstelle
Az.: OVG Thüringen 3 KO 620/18
A. Orientierungs- oder Leitsatz
Das Feststellungsinteresse resultiert aus der organschaftlichen Stellung des Klägers und der mit dem Handschlag zusammenhängenden Begründung dieser, sowie aus einem bestehenden Rehabilitationsinteresse, aufgrund des herabsetzenden Charakters der Verweigerung des Handschlags.
Der Handschlag stellt zwar keinen statusbegründenden, dennoch einen verpflichtenden symbolischen Akt dar.
B. Sachverhalt
Die Oberbürgermeisterin der Stadt Eisenach vereidigte die Stadträte. Dafür sprach sie eine Erklärung vor, auf die Stadträte mit „Ich verpflichte mich.“ zu reagieren hatten. Die Stadträte taten dies jeweils, darunter auch der durch einen Wahlvorschlag der NPD gewählte Stadtrat W. Nach Ausspruch schüttelte die Oberbürgermeisterin jedem der Stadträte die Hand, außer jenen die durch den Wahlvorschlag der NPD in den Stadtrat gewählt wurden, darunter auch W. W begehrt nun, dass festgestellt werde, dass das Unterbleiben des Handschlages eine rechtswidrige Handlung der Oberbürgermeisterin darstellt.
C. Anmerkungen
Nachdem das zuständige VG in dieser Sache urteilte, dass dem Handschlag rein symbolischer Charakter zukäme und die Verweigerung eine hinnehmbare politische Symbolhandlung darstelle. Zudem wurde auch das Feststellungsinteresse des Klägers verneint. Dieses Urteil wurde durch das OVG aufgehoben. Sowohl das Feststellungsinteresse, als auch die Rechtswidrigkeit der Verweigerung des Handschlags wurden bejaht.
Das Feststellungsinteresse resultiert zum einen aus dem Rehabilitationsinteresse und zum anderen aus seiner organschaftlichen Stellung. Bezüglich letzterem wurde ausgeführt, dass es sich bei dem in Frage stehenden Handschlag um Teil eines gesetzlich normierten Prozesses zur formalen Begründung seines Amtes handele. Es könne ihm nicht das Interesse abgesprochen werden, da es sich nicht nur um einen Rechtsstreit hinsichtlich der Ausübung seiner organschaftlichen Rechte, sondern bereits hinsichtlich der Begründung seines organschaftlichen Status, handelt. Es liegt zum anderen auch ein Feststellungsinteresse im Sinne eines Rehabilitationsinteresses des Klägers vor. Durch die Ungleichbehandlung sei er in seinem Achtungsanspruch herabgesetzt worden, weshalb es ihm zustünde in Erfahrung zu bringen, ob dies rechtwidrig erfolgte. Dies sei insbesondere der Fall, da die Beklagte gerade eine öffentlichkeitswirksame Abgrenzung beabsichtigte. Die Wiederholungsgefahr dieses Verhaltens könne laut OVG dahinstehen.
Das OVG sah die Klage weiterhin als begründet an. Zunächst stellte es fest, dass der Handschlag in § 24 Abs. 2 ThürKO gesetzlich vorgeschrieben war und dieser Verpflichtung durch die Oberbürgermeisterin nicht nachgekommen wurde. Es folgte insoweit der Ansicht des VG, als dass es ebenfalls feststellte, dass es sich bei dem Handschlag nicht um einen statusbegründenden Akt handelt. W also trotz der Verweigerung sein Amt bekleiden konnte. Dies folge aus § 24 Abs. 2 S. 2 ThürKO.
Jedoch sei der Wortlaut des § 24 Abs. 2 ThürKO bezüglich der Verpflichtung zum Handschlag eindeutig. Diese ergebe sich auch aus der Begründung des Gesetzgebers. Das Erfordernis einer subjektiven inneren Bereitschaft existiere nicht und somit erfordere auch der symbolische Charakter, dass sowohl die amtierende Bürgermeister*in, als auch die jeweiligen Stadträte, sich diesem nicht entziehen. Weiterhin dürfe der Gesetzgeber von einer Bürgermeister*in erwarten, dass die Person, die bereit ist als politische und administrative Repräsentantin der Gemeinde, das Amt der Bürgermeister*in zu bekleiden ist, auch in der Lage ist die eigene Bereitschaft zum Handschlag, nicht von persönlichen Sympathien oder Antipathien abhängig zu machen.
Interessant ist wohl die Betrachtung dieser Rechtsauffassung im Lichte der uns wohl noch länger beschäftigenden Coronavirus Pandemie.
D. In der Prüfung
A. Zulässigkeit der Klage
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
II. Statthafte Klageart
III. Klagebefugnis
IV. Feststellungsinteresse
V. Beteiligtenfähigkeit
VI. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen
B. Begründetheit der Klage
I. Passivlegitimation
II. Rechtsverletzung
E. Zur Vertiefung
https://verfassungsblog.de/die-zwei-koerper-der-buergermeisterin/