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Entscheidung der Woche 16-2021 (SR)

Laura Schlunk

Die räuberische Erpressung (§§ 253, 255 StGB) erfordert ebenso wie der Raub (§ 249 StGB) einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH 2 StR 432/20

in: BeckRS 2021, 4037

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

1. Die räuberische Erpressung (§§ 253, 255 StGB) erfordert ebenso wie der Raub (§ 249 StGB) einen finalen Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung. Eine konkludente Drohung, die sich grundsätzlich auch daraus ergeben kann, dass der Täter dem Opfer durch sein Verhalten zu verstehen gibt, er werde zuvor zu anderen Zwecken angewendete Gewalt nunmehr zu Erzwingung der jetzt erstrebten vermögensschädigenden Handlung des Opfers bzw. zur Duldung der beabsichtigten Wegnahme fortsetzen oder wiederholen, genügt.

2. Ein bloßes Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält für sich genommen noch keine Drohung. Die Drohung erfordert, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen.


B. Sachverhalt

Der Angeklagte (A) rief im März 2019 bei dem Geschäftsführer der Firma des Geschädigten (G) an. Er gab an, die Kaution für einen guten Freund stellen zu wollen, der in Schwierigkeiten geraten war. A forderte G zu einer Zahlung von 2.500 € auf. A hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach Drohungen gegen G ausgesprochen. Aus Angst der A könnte seine Drohungen wahr machen, ließ G 900 € von einem Boten an A übergeben. Dieser hatte zu keinem Zeitpunkt die Absicht, das Geld an G zurückzuzahlen.

Ist G wegen räuberischer Erpressung nach §§ 253, 255 StGB strafbar?


C. Anmerkungen

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung nach §§ 253, 255 StGB verurteilt. Nach der Ansicht des Landgerichts liegt in der alten Drohung des Angeklagten ein taugliches Nötigungsmittel. Diese stehe im direkten finalen Zusammenhang mit der Angst des Geschädigten und habe ihn so zu der Übergabe der 900 € an den Angeklagten bewegt.

Die Verurteilung wegen räuberischer Erpressung hält der rechtlichen Nachprüfung des BGH nicht stand. Nach der Ansicht des BGH erfordern sowohl die räuberische Erpressung als auch der Raub einen finalen Nötigungszusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der Handlung des Geschädigten.

In diesem Fall hatte der Angeklagte dem Geschädigten nicht gedroht. Es käme jedoch eine konkludente Drohung in Betracht. Bei dieser ergibt sich die Drohung aus dem Verhalten des Täters. Er muss eine Gefahr für Leib und Leben in Aussicht stellen und aus diesem Verhalten genügend erkennbar machen. Möglich wäre dies durch wiederholt angewendete Gewalt, bei der mit einer erneuten Anwendung zur Erzwingung des Vermögensschadens gedroht würde.

Im vorliegenden Fall habe der Angeklagte den Geschädigten jedoch lediglich angerufen. Aus diesem Verhalten lasse sich nicht auf eine Drohung gegenüber dem Angeklagten schließen. Der Anklagte habe nur die Angst des Geschädigten ihm gegenüber ausgenutzt. Es liege dabei keine mindestens konkludente Androhung einer Gewaltanwendung vor, die Erwartungshaltung des Geschädigten bezüglich einer Schädigung auf Grundlage der früheren Drohungen ist nicht ausreichend. Neue Drohungen seien nicht erfolgt. Es liege zudem kein finaler Zusammenhang zwischen dem Nötigungsmittel und der Handlung des Angeklagten vor.

Der Angeklagte ist in diesem Fall nicht wegen räuberischer Erpressung nach §§ 253, 255 strafbar. Die Revision des Angeklagten hat insoweit Erfolg.


D. In der Prüfung

I. Objektiver Tatbestand

1. Qualifiziertes Nötigungsmittel

a) Gewalt gegen eine Person

b) Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben

2. Nötigungserfolg

3. Finaler Nötigungszusammenhang


E. Zur Vertiefung

Zur räuberischen Erpressung Kindhäuser in: Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017, § 255 Rn. 1ff.;

zur Gegenwärtigkeit der Drohung Sander in: Münchener Kommentar zum StGB, Band 4, 3. Auflage 2017, § 255 Rn. 5ff.

 
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