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Entscheidung der Woche 16-2023 (ZR)

Tim Nix

Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der vorübergehenden Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs besteht nicht, wenn dem Geschädigten ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung steht, dessen ersatzweise Nutzung ihm zumutbar ist.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH V ZR 8/19

in: NJW 2020, 3711

MDR 2020, 1372

VersR 2020, 1518

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze

1. Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der vorübergehenden Entziehung der Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs besteht nicht, wenn dem Geschädigten ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung steht, dessen ersatzweise Nutzung ihm zumutbar ist.

2. Die Unzumutbarkeit der Nutzung des weiteren Fahrzeugs lässt sich nicht mit dem Argument begründen, dass das Fahrzeug, dessen Nutzung vorübergehend entzogen ist, gegenüber dem Zweitfahrzeug eine höhere Wertschätzung des Geschädigten erfahre, etwa weil ihm ein höheres Prestige zukomme, es ein anderes Fahrgefühl vermittle oder den individuellen Genuss erhöhe.

B. Sachverhalt

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Porsche Turbo S Cabriolet und eines 3er BMW Kombi. Ihren Porsche Turbo hat die Klägerin in einer Garage der Beklagten geparkt, welche diese an die L-AG vermietet hat. Aufgrund rechtlicher Streitgkeiten blockierte die Beklagte die Ausfahrt der Garage vom 20.07.2020 bis zum 03.08.2020. Die Klägerin trägt vor, dass sie während dieses Zeitraums einen viertägigen Aufenthalt an dem Gardasee plante. Für diese Reise wollte sie den Porsche Turbo S Carbiolet nutzen. Der 3er BMW Kombi soll laut der Klägerin dem Porsche nicht gleichwertig sein. Daher fordert sie nun von der Beklagten eine Entschädigung für den Nutzungsausfall i.H.v. 175,00 € pro Tag, insgesamt 2.450,00 €.

C. Anmerkungen

Schwerpunkt dieser Entscheidung des BGH war die Frage, ob ein Nutzungsausfall in der dargestellten Konstellation einen Vermögensschaden darstellt.

Der Klägerin ist grundsätzlich kein materieller Schaden entstanden. Gleichwohl könnte der Nutzungsausfall als immatrieller Schaden gem. § 253 Abs. 1 BGB ersatzfähig sein. Grunsätzlich können immatrielle Schäden nur in denen durch das Gesetz bestimmten Fällen geltend gemacht werden. Der Nutzungsausfall fällt nicht darunter. Hier ist dann zu diskutieren, ob der Nutzungsausfall ausnahmsweise aus Wertungsgründen als Vermögensschaden anzusehen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann Ersatz für den Nutzungsausfall nur in solchen Fällen gefordert werden, wo die ständige Verfügbarkeit der Sache für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist und der Nutzungsausfall auch fühlbar ist. Bei PKWs ist insoweit anerkannt, dass deren Verfügbarkeit innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Kraft und Zeit zu sparen. Für die Fühlbarkeit des Nutzungsausfalls ist notwendig, dass der Eigentümer des PKWs zur fraglichen Zeit das Farhzeug benutzen wollte und dazu auch in der Lage gewesen wäre. Hierzu urteilte der BGH insoweit, dass die Entbehrung der Nutzung auch deshalb fühlbar sein muss, weil der Geschädigte das Fahrzeug mangels weiteren geeigneten Fahrzeugs für seine alltägliche Lebensführung wirklich gebraucht hätte. An einem fühlbaren Nutzungsausfall fehle es daher, wenn dem Geschädigten ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung stand, dessen ersatzweise Nutzung dem Geschädigten zumutbar ist. Die Unzumutbarkeit ließe sich nicht mit einer mit dem Ersatzfahrzeug verbundenen geringeren Wertschätzung begründe, etwa weil ein geringeres Prestige mit dem Fahrzeug einherginge. Auch könne ein gewisses Fahrgefühl oder individueller Genuss die Argumenation für eine Unzumutbarkeit tragen. So ist der hier dargestelle Nutzungsausfall nicht ersatzfähig.

In einer Klausur wäre zudem ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB zu prüfen. Dieser sollte tatbestandlich soweit bejaht werden. Jedoch wird es auch hier an einem ersatzfähigen Schaden fehlen, sodass ein Anspruch der Klägerin auch hier im Ergebnis abzulehnen ist.


D. In der Prüfung

§ 823 I BGB

1. Rechtsgutverletzung

2. Verletzungshandlung

3. Haftungsbegründende Kausalität

4. Rechtswidrigkeit

5. Verschulden

6. Ersatzfähiger Schaden (P)

E. Literaturhinweise

Mit weiteren Erläuterungen:

RÜ 2023, 11 und examensgerecht;

Diskutiert in:

FD-StrVR 2022, 454482, NJW-Spezial 2023, 10.

 
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