Entscheidung der Woche 16-2025 (ÖR)

Lenn von Hörten
Auch Bewerber für einen nicht im Beamtenverhältnis ausgestalteten juristischen Vorbereitungsdienst ( - das juristische Referendariat -) müssen Mindestanforderungen an eine Verfassungstreuepflicht erfüllen. Daran fehlt es, wenn sie sich aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigen (bejaht für ein Mitglied und Funktionär der Partei „Der III. Weg").
Aktenzeichen und Fundstelle
Az.: BVerwG, Urt. v. 10.10.2024 - 2 C 15.23
Fundstelle: LKV 2024, 548
Vorinstanzen:
VG Würzburg, Urt. v. 10.11.2020 - W 1 K 20.449
VGH München. Beschl. v. 22.12.2022 - 3 B 21.2793
A. Orientierungs- und Leitsatz
Auch Bewerber für einen nicht im Beamtenverhältnis ausgestalteten juristischen Vorbereitungsdienst ( - das juristische Referendariat -) müssen Mindestanforderungen an eine Verfassungstreuepflicht erfüllen. Daran fehlt es, wenn sie sich aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigen (bejaht für ein Mitglied und Funktionär der Partei „Der III. Weg").
B. Sachverhalt
Nach erfolgreicher Besprechung seines ersten juristischen Staatsexamens erhielt der Kläger mit Schreiben vom 10. März 2020 einen Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Bamberg, mit dem sein Antrag auf Zulassung zu dem juristischen Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare zum 01. April 2020 abgelehnt wurde.
Der Bescheid stütze sich auf § 46 Abs. 6 Nr. 2 BayJAPO - vgl. als niedersächsische Parallelvorschrift § 5 Abs. 1 S. 2 NJAG. Die dort vorausgesetzte Ungeeignetheit ergebe sich aus verfassungsfeindlichen Betätigungen des Klägers. Neben mehrmaligen Verurteilungen sei er ehemaliges Mitglied der NPD und des „Freien Netzes Süd", welches 2014 verboten wurde, sowie aktiver Funktionär der Partei „Der III. Weg", bei der es sich um eine radikale rechtsextreme Vereinigung mit neonazistischer Prägung handelt. Zwar sei zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass Straftaten und Mitgliedschaften teilweise länger zurücklägen, grundsätzlich das Parteienprivileg zu berücksichtigen sei und auch die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG für ihn spreche. Dies ändere jedoch nichts an der abschließenden Gesamtabwägung.
Der Kläger erhob daraufhin am 19. März 2020 erfolglos Antrag auf Eilrechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth. Im Nachgang begehrte der Betroffene im Wege der Klage rückwirkende Einstellung als Rechtsreferendar sowie Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheids durch den OLG-Präsidenten. Weil der Kläger inzwischen in Sachsen zum juristischen Vorbereitungsdienst zugelassen wurde - vgl. dazu SächsVerfGH, Beschl. v. 04.11.2021, VF. 96-IV-21 -, erklärten die Beteiligten die Streitigkeit hinsichtlich der Zulassung schließlich für erledigt. Der Feststellungsantrag wurde indessen als unbegründet abgewiesen, woraufhin das Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht angestrengt wurde.
C. Die Entscheidung des BVerwG
Auch die Revision der Fortsetzungsfeststellungsklage, analog § 113 Abs. 1 S. 4 WGO, wurde am 10. Oktober 2024 vom Bundesverwaltungsgericht als unbegründet zurückgewiesen; § 144 Abs. 2 VwGO. Zwar besteht in Anbetracht des Inhalts des Bescheids und der Berichterstattung über den Verfahrensgang eine Stigmatisierung des Feststellungsinteresse aus Rehabilitationsgründen erwächst. Jedoch war der Bescheid gerade nicht rechtswidrig.
Es existiert mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 SiGjurVD ein ausreichender Anknüpfungspunkt im bayerischen Landesrecht dafür, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BeamtStG und damit auch die Treuepflicht gegenüber der Verfassung in den Einstellungsprozess bei Rechtsreferendaren einzubeziehen. Die Bestimmung der „Ungeeignetheit" in § 46 Abs. 6 Nr. 2 BayJAPO als Verordnung ist damit nach landesrechtlicher Auslegung - d.h. iSd. § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisibel - auch an beamtenrechtlichen Maßstäben zu messen. Daraus ergibt sich ein erforderliches Mindestmaß an Verfassungstreue, das auch für Rechtsreferendare gelten muss, die an rechtsstaatlichen Verfahren mitwirken und insofern ein gesamtgesellschaftliches Vertrauen in die Integrität der Justiz in Anspruch nehmen. Dass die Anforderungen an die Zulassung zur Anwaltschaft qua BRAO milder ausgestaltet seien, steht dazu bereits deshalb in keinem relevanten systematischen Widerspruch, weil sich die Treuepflicht unmittelbar aus der Verfassung ergibt. Das Parteienprivileg aus Art. 21 Abs. 2 iVm. Abs. 1 GG verbietet einer öffentlichen Stelle außerdem nicht, unabhängig von einem Parteiverbotsverfahren vor dem BVerfG, eine eigene Bewertung der Zielsetzungen einer Partei vorzunehmen und Einstellungsentscheidungen einzubeziehen.
In Ansehung verschiedener Verfassungsschutzberichte ISU nunmehr bereits die Mitgliedschaft in der Partei „Der III. Weg" isoliert als Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu qualifizieren. Sie rechtfertigt mithin den Ablehnungsbescheid auf Grundlage des § 46 Abs. 6 Nr. 2 BayJAPO. Zwar erklärt § 5 Abs. 2 S. 1 NJAG als Parlamentsgesetz in Niedersachsen gerade § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BeamtStG diesbezüglich für unanwendbar.
Ein erforderliches "Mindestmaß" an Verfassungstreue" dürfte nach dieser Rechtsprechung aber auch dem Eignungsbegriff in § 5 Abs. 1 S. 2 NJAG immanent sein.
D. In der Prüfung
Fortsetzungsfeststellungsklage, analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO
A. Zulässigkeit
B. Begründetheit
I. Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes vor Erledigung
E. Literaturhinweise
Bundesverwaltungsgericht - Pressemitteilung Nr. 48/2024