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Entscheidung der Woche 17-2020 (ZR)

Jonas Vonjahr

Bei der Rückgabe einer Mietsache durch eine GbR ist im Falle der Gesamtvertretung erforderlich, dass alle Gesellschafter den Willen zur Besitzaufgabe mittragen.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: OLG Frankfurt, Urt. v. 10.05.2019 – 2 U 39/19

in: ZIP 2019, 2011

 

A. Orientierungssatz

Bei der Rückgabe einer Mietsache durch eine GbR ist im Falle der Gesamtvertretung erforderlich, dass alle Gesellschafter den Willen zur Besitzaufgabe mittragen. Erlangt der Vermieter ohne den Willen eines Gesellschafters unmittelbaren Besitz an der Mietsache, so ist dieser gegenüber der GbR fehlerhaft. An einer für die einstweilige Verfügung erforderlichen Eilbedürftigkeit fehlt es nicht schon dann, wenn der Vermieter den Besitz an einen Nachfolgemieter weitergegeben hat.


B. Sachverhalt (gekürzt)

K betrieb zusammen mit C eine Gemeinschaftspraxis in Form einer GbR in Praxisräumen, die sie zum Zwecke der gemeinschaftlichen Nutzung von B angemietet hatten. Als K längerfristig erkrankte, teilte C der B mit, dass er die Praxis nun alleine führe und alleine für die Kosten aufkäme. C sprach weiterhin die fristlose Kündigung des Gesellschaftsvertrages aus – C und K befinden sich seitdem in einem Rechtsstreit auf Auseinandersetzung. Aufgrund ausbleibender Mietzahlungen sprach B am 28.01.2019 die außerordentliche fristlose Kündigung aus und verlangte die Räumung der Mietsache spätestens bis zum 31.01.2019. Besagtes Kündigungsschreiben fand K am 30.01.2019 im Briefkasten der Praxis vor, woraufhin K dem C schriftlich mitteilte, dass er an der Übernahme der Praxisräume interessiert sei. Ebenfalls am 28.01. unterzeichnete B einen Mietvertrag mit D. Diesem verschaffte B unter Mithilfe des C Zugang zu den Räumlichkeiten, wobei C für die GbR auftrat. K begehrt i.R.e. einstweiligen Verfügung Wiedereinräumung des Besitzes an ihn bzw. an die GbR.


C. Anmerkungen

Eigene Besitzschutzansprüche gegen B hat K mangels eigenen Besitzverlustes nicht. Zentraler Streitpunkt des in Frage stehenden Anspruchs der GbR gegen B gem. § 861 Abs. 1 BGB ist das Vorliegen einer verbotenen Eigenmacht i.S.d. § 858 Abs. 1 BGB.

Da K und C die tatsächliche Sachherrschaft über die Räume i.R.d. Gemeinschaftspraxis und damit als Organe für die GbR ausübten, war die GbR unmittelbare Besitzerin. Folglich kommt es bei der Bewertung, ob B „ohne den Willen“ des Besitzers i.S.d. § 858 Abs. 1 BGB handelte, auf den Willen der GbR an. Die GbR konnte seit Beginn der Auseinandersetzung gem. §§ 709, 714, 730 Abs. 2 S. 2 BGB lediglich gemeinschaftlich durch K und C vertreten werden. Da der K seinen Willen zur Besitzaufgabe nicht äußerte und C insofern alleine handelte, hat die GbR keinen wirksamen Willen zur Besitzaufgabe gefasst. Insb. war C auch nicht im Wege der Notgeschäftsführung gem. § 744 Abs. 2 BGB analog zur Abwendung eines durch die unterlassene Räumung entstandenen Schadensersatzanspruchs berechtigt, da er K rechtzeitig von dem Mietrückstand sowie von der Aufforderung zur Räumung hätte berichten können.

Auch die außerordentliche fristlose Kündigung der B genügt nicht, um eine Berechtigung zur Übertragung des Besitzes an den Geschäftsräumen zu begründen (§§ 546 Abs. 2, 542 Abs. 2 Nr. 2, 543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BGB). B hätte einen entsprechenden Vollstreckungstitel erwirken müssen (§§ 704ff. ZPO).

Darüber hinaus bestätigte das OLG in seinem Urteil, dass das Vorliegen einer verbotenen Eigenmacht ausreicht, um eine besondere Eilbedürftigkeit i.S.d. §§ 935, 940 ZPO zu bejahen. Dem stand nach Einschätzung des OLG auch die bereits erfolgte Weitergabe des Besitzes nicht ausnahmsweise entgegen.


D. In der Prüfung

Anspruch aus § 861 Abs. 1 BGB

I. Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht: (P) Besitzaufgabewille

II. GbR war Besitzer

III. Fehlerhafter Besitz der B

IV. Kein Ausschluss nach § 861 Abs. 2 BGB

V. Kein Erlöschen nach § 864 BGB


E. Zur Vertiefung

Omlor/Gies, Der Besitz und sein Schutz im System des BGB, JuS 2013, 12; Weiterführend zum Gesellschaftsrecht: Mock, Die Gesellschafterklage (actio pro socio), JuS 2015, 590.

 
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