Entscheidung der Woche 17-2025 (ZR)

Marie-Christin Runkel
Mit dem Einsetzen eines Embryos in eine Stute wird dieses ein fester Bestandteil einer Sache gem. § 93 BGB. Nach der Geburt des Fohlens ist dieses gem. § 953 BGB Eigentum des Eigentümers des Pferdes.
Aktenzeichen und Fundstelle
Az.: OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.09.2024 - 8 U 36/24
Fundstelle: NJW-RR 2025, 116
A. Orientierungs- und Leitsatz
1. Zu den eigentumsrechtlichen Rechtsfolgen der Einnistung eines
(Pferde-)Embryos in die Gebärmutterschleimhaut einer Leihstute.
2. Beim Embryonentransfer verliert der Embryo mit der Einnistung
(Nidation) in die Gebärmutterschleimhaut der Leihstute die
Sonderrechtsfähigkeit.
3. Für die Frage der Wesentlichkeit im Sinne des § 93 BGB kommt
es nicht darauf an, ob der Bestandteil für die Funktion oder den
Wert der Sache von Bedeutung ist.
4. Für § 947 II BGB stellt der Wert der Hauptsache im Verhältnis zur
Nebensache kein entscheidendes Kriterium dar.
B. Sachverhalt
Am 29.07.2022 erwarb der Beklagte eine unerkannt tragende Stute
von der G GbR. Im Jahr 2023 hat die Stute F ein Hengstfohlen
geboren.
Laut Angaben des Klägers habe er die Stute H, die sich am
15.06.2022 in seinem Eigentum befand, zwecks Zucht besamen
lassen. Am 23.06.2022 wurde die Eizelle der genetischen
Mutterstute H entnommen und im Rahmen eines
Embryotransferverfahrens in die Leihstute F eingesetzt, die der
Kläger von der G GbR gepachtet hatte.
Bei einer tierärztlichen Untersuchung wurde allerdings keine
Trächtigkeit der Stute F festgestellt und sie wurde aus diesem
Grund wieder an die G GbR zurückgegeben.
Der Kläger verlangt die Herausgabe des Fohlens, das genetisch von
seiner Stute H abstammt.
C. Anmerkungen
Im Rahmen des Beschlusses des OLG Oldenburgs wird die Klage als
unbegründet abgewiesen. Es als Grund dafür festgestellt, dass
nicht der Kläger Eigentümer des Hengstfohlens ist, sondern der
Beklagte das Eigentum daran erworben hat.
Im Rahmen des Embryotransferverfahrens wer der Kläger zunächst
Eigentümer von dem Embryo des Fohlens. Mit der Einsetzung des
Embryos in die an den Beklagten verkaufte Stute am 23.06.2022 hat
der Kläger aber sein Eigentum daran verloren.
Durch die Einnistung des Embryos in die Gebärmutter der Stute F
ist er zu einem festen Bestandteil dieser gem. § 93 BGB geworden.
Als fester Bestandteil konnten der Embryo und die Stute nicht
Az.: OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.09.2024 - 8 U 36/24
in: NJW-RR 2025, 116
mehr voneinander getrennt werden, ohne dass das eine oder das
andere zerstört oder wesentlich verändert wird. Im Falle einer
Trennung des eingenisteten Embryos würde dieses absterben,
was einer Zerstörung gleich käme. Es kommt dabei nicht darauf
an, wie lange die Dauer der beabsichtigen Verbindung ist und
auch nicht darauf, ob der Bestandteil wesentlich für die Sache ist.
Als solcher wesentlicher Bestandteil kann der Embryo kein Träger
eigener Rechte sein, vgl. § 93 BGB.
Die G GbR hat sodann als Eigentümerin der Leihstute das
Eigentum an dem Embryo gem. § 947 Abs. 2 BGB erworben, da die
Leihstute die Hauptsache darstellt.
Am 29.07.2022 hat der Beklagte die Leihstute gem. § 929 S. 1 BGB
von der G GbR erworben und mit ihr auch den Embryo als
wesentlichen Bestandteil. Nach § 953 BGB gehören Erzeugnisse
und sonstige Bestandteile einer Sache auch nach der Trennung
dem Eigentümer der Sache. Mit der Geburt des Fohlens ist damit
das Eigentum daran auch auf den Beklagten übergegangen.
Laut der Argumentation des Klägers stehe dies dem Willen des
Gesetzgebers entgegen, dass die Frucht zum genetischen
Muttertier gehöre und mit diesem untrennbar verbunden sei. Laut
Gericht erfordere dies jedoch eine Auslegung des Gesetzes
dahingehend, dass der Embryo nach der Entnahme der
genetischen Mutter weiter sonderrechtsfähig sei und dies auch
noch nach der Einnistung bei der Leihmutter. Eine derartige
Auslegung sei aber eine unzulässige Rechtsfortbildung, denn sie
stelle einen Widerspruch zum nicht auslegungsbedürftigen
Wortlaut des § 93 BGB dar. Auch könne die Wertung des § 95 BGB
nicht übernommen werden, weil die Situation nicht vergleichbar
sei und eine Ausnahme von der Sonderrechtsfähigkeit eines
beweglichen Gegenstands nur für die vorübergehende
Verbindung mit einem Grundstück vom Gesetzgeber vorgesehen
wurde. Auch ein Wiederaufleben der Sonderrechtsfähigkeit des
Fohlens nach der Geburt würde eine unsichere Rechtslage
schaffen und so gegen wesentliche sachenrechtliche Grundsätze
verstoßen.
D. In der Prüfung
§ 985 BGB
1. Eigentum
a. Ursprüngliches Eigentum am Embryo
b. Eigentumsverlust des Klägers an G GbR, § 947 Abs. 2 BGB
(P) Embryo als wesentlicher Bestandteil, § 93 BGB
c. Eigentumsübergang an Beklagten
2. Ergebnis
E. Literaturhinweise
BGH NJW-RR 2020, 623;
BGH NJW 2022, 614.