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Entscheidung der Woche 18-2020 (SR)

Felix Lücke

Raub gem. § 249 StGB setzt in seinem subjektiven Tatbestand Aneigungsabsicht und Enteignungvorsatz hinsichtlich einer fremden, beweglichen Sache voraus.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH 3 StR 536/18

in: BeckRS 2019, 37831

JuS 2020, 467

NStZ-RR 2020, 102 (Ls.)

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Raub gem. § 249 StGB setzt in seinem subjektiven Tatbestand Aneigungsabsicht und Enteignungvorsatz hinsichtlich einer fremden, beweglichen Sache voraus. Eine Aneignungsabsicht liegt nicht vor, wenn es an der beabsichtigten „Einverleibung“ in das eigene Vermögen fehlt, so wenn der Täter die Sache – ohne sie behalten zu wollen – an sich bringt, um sie zu zerstören, zu vernichten, preiszugeben, wegzuwerfen, beiseite zu schaffen oder zu beschädigen.


B. Sachverhalt

A fuhr am Abend zur Wohnung seiner Ex-Freundin L, um diese zur Rede zu stellen. Als L mit ihrem Auto ebenfalls eintraf, öffnete A deren Fahrertür, um L ihr Smartphone zu entreißen. Hiervon versprach er sich Informationen über eventuelle Kontakte der L zu anderen Männern. Als diese sich wehrte, beugte sich A über seine Ex-Freundin, hielt ihre Hände fest und nahm das Handy an sich. Hat sich A wegen Raubes gem. § 249 Abs. 1 StGB strafbar gemacht?


C. Anmerkungen

Das LG verurteilte den Angeklagten A wegen Raubes gem. § 249 Abs. 1 StGB. Für den BGH stellte sich vor dem Hintergrund der von A hiergegen erhobenen Sachrüge insbesondere die Frage, ob sich aus dessen Interessenlage, das Smartphone der L zu reinen Informationszwecken an sich zu nehmen, eine Aneignungsabsicht des A zu begründen ist. Denn als Zueignungsdelikt setzt der Raub gem. § 249 StGB in seinem subjektiven Tatbestand – in Abgrenzung zu den reinen Vermögensdelikten wie der Räuberischen Erpressung gem. §§ 253 Abs. 1, 255 StGB oder den seltenen Gebrauchsanmaßungsdelikten wie § 248b StGB – voraus, dass der Täter beabsichtigt, sich die Sache bzw. subsidiär ihren funktionsspezifischen Sachwert zumindest vorübergehend in das eigene Vermögen einzuverleiben, sich demnach wie der wahre Eigentümer als Verfügungsberechtigter der Sache aufzuspielen.

Zwar ist nicht erforderlich, dass der Täter die Sache dauerhaft behalten will. Deren zumindest vorübergehende Aneignung muss er im Wegnahmezeitpunkt aber unbedingt anstreben. Daran fehlt es jedoch gerade, wenn er die Sache – ohne sie in irgendeiner Form behalten zu wollen – lediglich an sich bringt, um sie zu zerstören, zu vernichten, preiszugeben, wegzuwerfen, beiseite zu schaffen oder zu beschädigen. Die hierauf gerichtete Sachentziehung ist außerhalb der engen Grenzen der Gebrauchsanmaßungsdelikte grundsätzlich straflos.

Die von A beabsichtigte Nutzung des Handys der L als reine Informationsquelle genügt den Anforderungen der tatbestandlich vorausgesetzten Aneigungsabsicht insoweit nicht. Es ging A nicht darum, das Smartphone als Sache, wenn auch nur vorübergehend, seinem eigenen Vermögen einzuverleiben. Der reine Informationswert der im Handy gespeicherten Daten stellt sich letztlich auch nicht als dessen aneignungsfähiger funktionsspezifischer Sachwert (sog. lucrum ex re) dar. Gleiches gilt für die von A unterbundene Nutzung des Smartphones durch L. Mangels Aneignungsabsicht des A hätte das LG ihn daher nicht wegen Raubes gem. § 249 StGB verurteilen dürfen, sodass der Schuldspruch durch den BGH aufzuheben war.


D. In der Prüfung

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache unter Einsatz eines Nötigungsmittels

2. Subjektiver Tatbestand

a) Zueigungsabsicht

aa) Aneignungabsicht

bb) Enteignungsvorsatz

b) RWK der erstrebten Zueignung

c) Vorsatz bzgl. b)


E. Zur Vertiefung

Zum konkreten Urteil vgl. die Entscheidungsanmerkung von Jahn, JuS 2020, 467; Im Übrigen Rengier, Strafrecht BT I - Vermögensdelikte, 22. Aufl. 2020, § 2 Rn. 86ff.

 
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