top of page

Entscheidung der Woche 18-2021 (ZR)

Eric Scheu

Zum Umfang der deliktischen Haftung wegen fehlerhafter Werkleistung bei Errichtung eines Gebäudes (hier: Installationsarbeiten in einer Sporthalle).

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH VI ZR 21/20

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Zum Umfang der deliktischen Haftung wegen fehlerhafter Werkleistung bei Errichtung eines Gebäudes (hier: Installationsarbeiten in einer Sporthalle).


B. Sachverhalt

Klägerin in dem zugrundeliegenden Sachverhalt ist die Versicherung eines Halleneigentümers. Die Beklagte ist ein Werkunternehmer, welcher im Jahre 1995 Installationsarbeiten im Rahmen der Errichtung einer Sporthalle des Versicherungsnehmers der Klägerin durchgeführt hat. Diese Arbeiten wurden auch im selben Jahr entsprechend abgenommen.

Im März 2009 wurden sodann Anzeichen eines Wasserschadens im Untergeschoss der Sporthalle bemerkt. Im Juli desselben Jahres wurden bei Nachforschungen dann insgesamt sieben Leckagen festgestellt. Kausal für diese Leckagen war primär die unsachgemäße Kürzung der Hahnverlängerungen durch die Beklagte im Jahre 1995. Diese getätigten Arbeiten entsprachen nicht dem jeweiligen Stand der Technik. Durch die unsachgemäße Kürzung der Hahnverlängerungen ist Wasser ausgetreten, welches zur Durchfeuchtung geführt hat. Noch im Juli 2009 wurden diese Hahnverlängerungen ausgetauscht um weitere Schäden zu vermeiden.

Geltend gemacht wird nun aus übergegangenem Recht der aus dem Mangel resultierende weitergehende Schaden an bereits zuvor bestehenden Gebäudeteilen, nämlich den Wänden, der Bodenplatte und dem Fußboden.

Der Schaden beläuft sich letztlich auf 202.562,11 EUR, der 2012 im Wege der Klage geltend gemacht wird. Sowohl beim Landgericht als auch in der Berufungsinstanz hatte die Klägerin mit ihrem Begehren keinen Erfolg.


C. Anmerkungen

Bei der Problematik des Weiterfressermangels handelt es sich um einen echten Klassiker in Examensklausuren.

Zu beginnen wäre die Prüfung mit den vertraglichen Ansprüchen. In Betracht käme hier ein solcher aus §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB. Zunächst wäre festzustellen, dass die Versicherung etwaige Ansprüche gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG vom Halleneigentümer cessio legis erhalten hat. Problematisch könnte sein, dass der Anspruch bereits verjährt sein könnte. Fraglich ist somit, welche der Verjährungsfristen in § 634a Abs. 1 BGB einschlägig ist. Prüflinge sollten hier wissen, dass die fünfjährige Frist nach Nr. 2 mit Abnahme beginnt und die dreijährige Frist nach Nr. 3 mit Ende des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und in dem Kenntnis erlangt wird, beginnt, vgl. § 199 Abs. 1 BGB. Der Anspruch wäre hiernach nicht verjährt.

Da es sich bei der Sporthalle um ein Bauwerk handelt und die Errichtung einer solchen zweifelsohne von Nr. 2 erfasst ist, findet eben jene Verjährungsregelung Anwendung. Zur Errichtung eines Bauwerkes fallen auch solche Einzelleistungen, die der vollständigen Errichtung dienen. Um eine solche handelt es hier. Der Anspruch ist gem. § 634a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB verjährt.

Sodann sind Ansprüche aus Deliktsrecht zu prüfen. Diese sind in jenem Fall nach der regelmäßigen Verjährungsfrist zu behandeln, sodass, wie oben dargestellt, ein Anspruch, sofern er denn besteht, nicht verjährt wäre. An dieser Stelle ist nunmehr der Weiterfressermangel von Relevanz. Es kommt für die Entscheidung entscheidend darauf an, ob die geltend gemachten Schäden mit dem Mangelunwert der stoffgleich sind. Wäre dies der Fall, würde nur das Äquivalenzinteresse betroffen, welches nur durch Gewährleistungsrechte geschützt ist. Fehlt es hingegen an der Stoffgleichheit, wäre das Integritätsinteresse verletzt. Deliktische Ansprüche stünden dann neben den Gewährleistungsrechten. Die Problematik, wann Stoffgleichheit gegeben ist oder nicht sollte Prüflingen in jeden Fall bekannt sein.

Entgegen des Berufungsgerichts hält der BGH deliktische Ansprüche für möglich und ist insofern nicht von einer Stoffgleichheit ausgegangen. Hier kann mit den für eine Stoffgleichheit entsprechend bekannten und von der Rechtsprechung entwickelten Indizien in beide Richtungen argumentiert werden, sodass sich die Entscheidung bestens für eine Klausur eignen dürfte.


D. In der Prüfung

I. Anspruch aus § §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB

1. Entstanden (+)

2. Nicht untergegangen (+)

3. Durchsetzbarkeit

(P) Verjährung

II. Anspruch aus § 823 I BGB

1. Entstanden

(P) Weiterfressermangel, insb. Stoffgleichheit

2. Nicht untergegangen

3. Durchsetzbarkeit

(P) Verjährung


E. Zur Vertiefung

Heßeler, Kleinhenz: Der kaufrechtliche Anspruch auf Schadensersatz für Weiterfresserschäden, JuS 2007, 706;

Mylich: Die Eigentumsverletzung – Fallgruppen und Ansprüche, JuS 2014, 298.

 
Entscheidung-der-Woche-18-2021
.pdf
Download PDF • 1.96MB

bottom of page