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Entscheidung der Woche 18-2022 (SR)

Anna Bredemeier

Auch durch Vorlage der Kopie oder durch elektronische Übersendung des Bildes eines echten Ausweises zur Identitätstäuschung kann ein Ausweispapier im Sinne des § 281 I 1 StGB zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht werden.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH 5 StR 146/19

in: BeckRS 2020, 20323

NJW 2020, 3260

NStZ 2021, 43

StV 2021, 496

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

1. Auch durch Vorlage der Kopie oder durch elektronische Übersendung des Bildes eines echten Ausweises zur Identitätstäuschung kann ein Ausweispapier im Sinne des § 281 I 1 StGB zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht werden.

2. Zur Fälschung beweiserheblicher Daten durch Anmeldung bei einer Auktionsplattform und durch Online-Verkaufsangebote unter falschem Namen.


B. Sachverhalt

Nach einem Aufenthalt im Luxushotel fand A Gefallen an einem luxuriösen Lebensstil. Um sich diese Art von Leben leisten zu können, beging er zahlreiche Straftaten. A bot über das Internet unter anderem hochwertige Armbanduhren an, welche er jedoch weder liefern konnte noch wollte. A legte dafür auf Online-Verkaufsplattformen (eBay, eBay-Kleinanzeigen, chrono24) Konten auf nicht existierende Personen unter Angaben fingierter Kontaktdaten an oder trat bei den Verkaufsverhandlungen unter fremden Namen auf. Um über seine Identität zu täuschen, schickte A den Kaufinteressenten Personalausweise von anderen Personen in elektronischer Form ohne deren Wissen und Einwilligung. Im Vertrauen auf die falschen Versprechen des A überwiesen zahlreiche Käufer den vereinbarten Kaufpreis vorab, erhielten jedoch nicht den gekauften Gegenstand.

Außerdem schloss A mit der Telekom mehrere Mobilfunk-Rahmenverträge mit einer Laufzeit von 24 Monaten ab. Dabei spiegelte er wahrheitswidrig vor, dass die Verträge nach Vertragsschluss von zahlungsfähigen und -willigen Dritten übernommen werden. Dafür legte er den Telekom-Mitarbeitern gefälschte Dokumente und deren elektronischen Kopien vor und fälschte Unterschriften. Er erhielt zahlreiche hochwertige Mobiltelefone, ohne dass der Telekom ein entsprechender Gegenwert zufloss.

Hat sich A wegen Missbrauchs von Ausweispapieren gem. § 281 I StGB und wegen Fälschung beweiserheblicher Daten gem. § 269 StGB strafbar gemacht?


C. Anmerkungen

Nach Ansicht des 5. Strafsenats ist der Begriff des Gebrauchens in § 281 I 1 StGB wie in § 267 I 1 StGB auszulegen. Danach macht von einer Urkunde Gebrauch, wer dem zu Täuschenden die sinnliche Wahrnehmung der Urkunde ermöglicht. Dies kann nicht nur durch Vorlage der Urkunde selbst geschehen, sondern auch dadurch, dass der Täter dem zu Täuschenden eine Fotokopie oder ein Lichtbild einer Urkunde zugänglich macht. Denn auch hierdurch wird die sinnliche Wahrnehmung der abgebildeten Urkunde selbst ermöglicht.

Eine Gegenansicht des 4. Strafsenats verneint die Übereinstimmung des Begriffs des Gebrauchenmachens in § 281 I 1 StGB und § 267 I StGB. Danach könne nicht wegen Ausweismissbrauchs bestraft werden, wer nur die unbeglaubigte Kopie eines Ausweispapiers oder einer diesem gleichgestellten Urkunde vorlege. § 281 StGB stelle nur den Missbrauch von Unterschriften, nicht auch denjenigen von Surrogaten unter Strafe. Das Gesetz setze Gebrauchmachen von der Urschrift voraus.

Diese Ansicht überzeugt den 5. Senat nicht. Aus dem Wortlaut des § 281 I 1 StGB ergebe sich keine Einschränkung der Tathandlung auf besondere Formen des Gebrauchs eines Ausweispapiers. Eine Urkunde werde gebraucht, wenn ihre sinnliche Wahrnehmung ermöglicht wird. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kann dies auch durch Vorlage eines Abbilds geschehen, denn dass die Urkunde unmittelbar dem zu Täuschenden in die Hand gegeben werden muss, setzt der Begriff nicht voraus. Auch nach der Gesetzessystematik ist der Begriff in § 281 I 1 StGB wie in § 267 I StGB auszulegen. Die gleichlautende Verwendung desselben Begriffs in zwei Strafnormen im selben Abschnitt des Besonderen Teils des StGB legt eine gleiche Begriffsauslegung nahe. Für diese Auslegung spricht auch der Sinn und Zweck von § 281 StGB. Dieser dient dem Schutz des Rechtsverkehrs durch Identitätsschutz. Wer ein für einen anderen ausgestelltes echtes Ausweispapier im Rechtsverkehr zur Identitätstäuschung nutzt, macht sich die besondere Beweiswirkung des Identitätspapiers zunutze. Dies geschieht nicht nur bei der Vorlage des Originals, sondern auch bei der Nutzung (digitaler) Kopien. Heute ist eine elektronische Kommunikation üblich, insbesondere auch bei der Verwendung von Ausweispapieren, an deren Übermittlung zur Identitätsprüfung der Rechtsverkehr ein besonderes Interesse hat. Der Rechtsverkehr vertraut darauf, dass nur derjenige zum Identitätsnachweis ein amtliches Ausweispapier nutzt, der berechtigter Inhaber ist. Dieses besondere – von § 267 StGB abweichende – Vertrauen wird auch beeinträchtigt, wenn der Täter das Ausweispapier eines anderen durch Übersendung oder Vorlage einer elektronischen Bilddatei oder einer Kopie nutzt und so über seine Identität in einer Weise täuscht, die aufgrund der veränderten technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Vorlage des Originals weithin gleichsteht.

Die von A gesendete Lichtbilddatei und Vorlage der Kopie eines echten Ausweises erfüllen jeweils die Alternative des Gebrauchens gem. § 281 I 1 StGB. Weiterhin hat A sich wegen Fälschung beweiserheblicher Daten strafbar gemacht. Nach § 269 I StGB macht sich strafbar, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr beweiserhebliche Daten so speichert oder verändert, dass bei ihrer Wahrnehmung eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde, oder wer derartige Daten gebraucht. Bei der Anmeldung eines eBay-Konto unter Verwendung falscher Personalien hat A ein entsprechendes Online-Formular ausgefüllt und abgeschickt. Dadurch gab er die Gedankenerklärung ab, dass die angegebene Person einen Nutzungsvertrag mit eBay abschließen möchte, die AGB des Unternehmens anerkennt und beim Handeln auf der Plattform unter dem gewählten Mitgliedsnamen auftritt. Diese Erklärung ist zum Beweis geeignet und bestimmt. Die Einrichtung eines Nutzerkontos bei eBay-Kleinanzeigen und chrono24 unter falschen Personalien fällt zwar nicht unter § 269 I StGB, da die persönlichen Daten bei der Registrierung nicht abgefragt werden. Jedoch erfolgt die Übermittlung der persönlichen Angaben spätestens zwischen den Vertragspartnern nach Einigwerden über ein Geschäft.

A hat durch sein an die Geschädigten unter falschem Namen kommuniziertes Verkaufsangebot eine unechte Datenurkunde i.S.d. § 269 I StGB gebraucht. Die Erklärung, wer Vertragspartner eines über eine Online-Plattform vermittelten Kaufs wird, ist in solchen Fällen zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt.


D. In der Prüfung

A. Strafbarkeit des A gem. § 281 I StGB

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a. Tatobjekt

b. Tathandlung […]

B. Strafbarkeit des A gem. § 269 StGB

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a. Tatobjekt

b. Tathandlung[…]


E. Literaturhinweise

Grabmeier,Ausnutzen einer trügerischen Beweiseinheit als spezifisches Unrecht des § 281 StGB, ZIS 2021, 199.

 

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