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Entscheidung der Woche 19-2020 (ÖR)

Alina Amin

Der Eigentümer eines Grundstücks, auf dem ein von Eichenprozessionsspinnern befallener Baum steht, kann nach § 7 Abs. 2 NPOG als Zustandsverantwortlicher in Anspruch genommen werden.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BayVGH, Beschl v 11.06.2019 10 CS 19.684

in: https://research.wolterskluweronline.de/document/fcd40ff4-7326-4580-8aff-fd906a6695b4

 

A. Orientierungs oder Leitsatz

Der Eigentümer eines Grundstücks, auf dem ein von Eichenprozessionsspinnern befallener Baum steht, kann nach § 7 Abs. 2 NPOG als Zustandsverantwortlicher in Anspruch genommen werden.


B. Sachverhalt (verkürzt)

Der Grundstückseigentümer E, auf dessen Grundstück ein Baum stand, der von einem Eichenprozessionsspinnernest (ein gefährlicher Schmetterling, dessen Raupenhaare Dermatitis bei Menschen auslösen) befallen war, wurde unter Anordnung des Sofortvollzugs zur Entfernung des Nestes verpflichtet. Im Falle der Nichterfüllung wurde eine Ersatzvornahme inklusive Kosten i.H.v. 700 € angedroht. Die Grundlage für die Anordnung sei § 11 NPOG – von dem Nest gehe eine Gesundheitsgefahr aus. Die Brennhaare der Insekten seien lange haltbar, verteilen sich in der Umgebung und seien auch in alten Nestern noch hochkonzentriert. Diese würden dann in die Haut und Schleimhaut eindringen und allergische Reaktionen sowie Begleiterscheinungen wie Fieber, Schwindel und Müdigkeit verursachen.

Für Anwohner, besonders Kinder und eine schwangere Frau, die in der Umgebung wohnen, bestehe eine erhebliche Gesundheitsgefahr. E sei Zustandsstörer gem. § 7 Abs. 2 NPOG. Dafür müsste eine gewisse Kausalität zwischen der Sache (dem Baum) und der Gefahrenquelle bestehen. Diese sei gegeben, wenn bei wertender Betrachtung aller Umstände durch den Zustand der Sache selbst die Gefahrengrenze überschritten werde. Dies läge vor. E erhebt Klage und stellt einen Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO mit der Begründung, dass durch den Zustand des Baumes selbst keine Gefahr ausginge, sondern nur von dem Nest.


C. Anmerkungen

Eine Gefahr i.S. des § 11 NPOG liegt hier vor. Problematisch ist allerdings, ob der E richtiger Adressat der Maßnahme ist. Die Verantwortlichkeit richtet sich vorliegend nach dem § 7 Abs. 2 NPOG, da eine Handlungsverantwortlichkeit ausscheidet. Macht das Verhalten oder der Zustand eines Tieres oder der Zustand einer anderen Sache Maßnahmen nach dem Polizei- und Ordnungsrecht notwendig, so sind diese Maßnahmen nach § 7 Abs. 2 NPOG gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt bzw. den Eigentümer oder den sonst dinglich Verfügungsberechtigten zu richten.

Die Zustandsverantwortlichkeit nach dieser Bestimmung knüpfte an die sich aus der tatsächlichen und rechtlichen Herrschaft über die Sache ergebende Pflicht an, dafür zu sorgen, dass von der Sache keine Gefahr ausgeht. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Sache die ursächliche Quelle der Gefahr ist und die Gefahr unmittelbar mit dem Zustand der Sache in Verbindung steht. Dieser Zusammenhang, vorliegend zwischen dem Grundstück des E und der Gesundheitsgefährdung, ist zu bejahen. Durch das an der Eiche anhaftende Nest und – bei wertender Betrachtung – daher durch den Zustand der Sache selbst wird die Gefahrengrenze für die betroffenen Menschen überschritten.


D. In der Prüfung

§ 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGo

I. formelle RMK

II. Interessenabwägung

a) Erfolgsaussichten in der Hauptsache

aa) RGL

bb) formelle RMK

cc) materielle RMK

(1) Voraussetzungen des § 11 NPOG

(2) Verantwortlichkeit

(P) -> Richtiger Adressat -> Zusammenhang zwischen Gefahr und Sache


E. Zur Vertiefung

Hartmann/Mann/Mehde: Landesrecht Niedersachsen, § 4, III.

 

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