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Entscheidung der Woche 19-2023 (ZR)

Raja Mudrak

§ 548 Abs. 1 BGB enthält für die von dieser Bestimmung erfassten Ansprüche des Vermieters eine abschließende Sonderregelung, die der allgemeinen Regelung des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB vorgeht,...

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH V ZR 8/19

in: NJW 2020, 3711

MDR 2020, 1372

VersR 2020, 1518

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze

§ 548 Abs. 1 BGB enthält für die von dieser Bestimmung erfassten Ansprüche des Vermieters eine abschließende Sonderregelung, die der allgemeinen Regelung des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB vorgeht, so dass eine Anspruchsverjährung vor Rückgabe der Mietsache an den Vermieter nicht eintreten kann, auch wenn die in der vorge- nannten Vorschrift bestimmte Frist von 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an bereits im laufenden Mietverhältnis verstrichen ist.


B. Sachverhalt

Seit 1981 mieten B und C eine Wohnung von A. Vereinbarungsge- mäß sanierten B und C 1983 den Boden im Badezimmer der Wohnung. Ein Fliesenfußboden mit Bodenabfluss sollte die vorhandnen Holzdielen ohne Fußbodenentwässerung ersetzen. Jedoch brachten B und C eine Dichtung unterhalb der Fliesen nicht fachgerecht an. In der Folgezeit duschten B und C mehrmals außerhalb der Duschwanne. Dadurch gelangten wiederholt erhebliche Mengen Wasser auf den nicht ordnungs- gemäß abgedichteten Boden. Schließlich trat im Juli 2016 eine erhebliche Menge Wasser durch den Boden des Badezimmers von B und C in die darunter gelegene Wohnung. Von einem Sachverständigen wurde festgestellt, dass die Decke aufgrund der über die Jahre eingedrungenen Feuchtigkeit einsturzgefährdet war. Die Kosten zur Reparatur des Schadens am Boden bzw. an der Decke betragen 70.000 €. A forderte von B und C den Ersatz dieser Kosten. B und C bewohnen weiterhin die Wohnung und dies soll nach dem Willen aller Parteien so bleiben. Sie entgegnen dem A, dass aufgrund der Tatsache, dass C im Rollstuhl sitze, die Duschvorgänge außerhalb der Duschwanne erfolgen mussten und der Anspruch zudem verjährt sei. Fraglich ist, ob der von A gegen B und C geltend gemacht Anspruch verjährt ist.

Bearbeiterhinweis: Das Verhältnis der Mieterhaftung zur Haftung des Gebäudeversicherers (sog. versicherungsrechtl. Lösung) ist außer Acht zu lassen.


C. Anmerkungen

Der BGH stellt in dieser Entscheidung, entgegen der vorangegangen Entscheidung des Berufungsgerichts, fest, dass es sich bei der Verjährung aus § 548 I um eine abschließende Sonderregelung handelt, die der allgemeinen Regelung des § 199 III 1 Nr. 2 vorgeht. Vorab hatte das Berufungsgericht angenommen, dass die erhobenen Ansprüche aus § 199 III 1 Nr. 2 bereits während des laufenden Mietverhältnisses verjährten, weil die Schaden auslösende Pflichtverletzung mehr als 30 Jahre vor der Klageerhebung stattgefunden hatte. Dabei verkannte das Berufungsgericht, dass die allgemeine Vorschrift des § 199 III 1 Nr. 2 nicht anwendbar ist, weil der § 548 für bestimmte mietrechtl. Ansprüche eine abschließende Sonderregelung enthält, die der allgem. Bestimmung vorgehen, sodass eine Verjährung solcher Ansprüche vor Rückgabe der Mietsache nicht eintreten kann. Diese Feststellung wurde anhand der Auslegung des Wortlauts, der Historie, der Systematik sowie des Telos ermittelt.

Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass Ersatzansprüche schon während des laufenden Mietverhältnisses nach § 199 anstatt erst nach Rückgabe der Mietsache nach § 548 I, verjähren, so hätte dieser das im Wortlaut durch den Passus „spätestens“ oder einen Verweis auf die Verjährungsregelungen des BGB AT erkennbar gemacht. Solche Anhaltspunkte fehlen, sodass nach dem Wortlaut eine abschließende Regelung vorliegt.

Weiterhin wurde in der Entwicklung des § 548 erwogen eine Verjährungsfrist von 30 Jahren für einen Anspruch zu schaffen, wenn er nicht bereits früher durch die sechsmonatige Frist verjährt sei. Dies wurde verworfen, sodass festzustellen ist, dass sich die mietrecht. Verjährungsvorschrift nicht für die des § 199 öffnet und somit eine abschließende Regelung darstellt. Auch die Gesetzessystematik spricht gegen eine Anwendbarkeit von § 199 BGB neben § 548 BGB. Die Regelungen des AT sollen nur dann greifen, soweit gesetzlich nichts Weiteres bestimmt ist. Es besteht aber eine spezielle Regelung für Mietverträge im Schuldrecht BT, sodass § 199 keine Anwendung findet.

Nach der teleologischen Auslegung könnte für ein Anwendbarkeit des § 199 sprechen, dass mit der Höchstfrist der Rechtsfrieden gefördert und Rechtssicherheit geschaffen werden würde. Jedoch stehen auch diese Aspekte hinter dem § 548 indem eine schnelle Klärung der bestehenden Ansprüche bzgl. des Zustands der Mietsache erreicht wird durch die Frist von 6 Monaten nach Rückgabe der Mietsache. Es ist zu beachten, dass der Vermieter in der Lage sein muss den Zustand der Mietsache zu überprüfen. Dafür muss man an die Rückgabe anknüpfen. Dieser Zweck würde durch die Anwendung des § 199 unterlaufen werden, da dessen Höchstfrist bereits verstrichen sein könnte, bevor der Vermieter die Mietsache zurückerhalten hat. Der Telos der Norm spricht für eine abschließende Regelung des § 548 I. Somit handelt es sich im Ergebnis bei § 548 um eine abschließende Sonderregelung.

Das Urteil bietet eine gute Gelegenheit, sich mit den verschiedenen Auslegungsmethoden auseinanderzusetzen.


D. In der Prüfung

Anspruch aus §§ 280 I, 241 II, 535, 421 BGB

I. Anspruch entstanden

II. Anspruch nicht untergegangen

III. Anspruch durchsetzbar

1. Keine Verjährung des Anspruchs (P)


E. Literaturhinweise

JuS 2023, 73 (Prof. Dr. Sebastian Omlor);

FD-MietR 2022, 452359 (Nikolay Pramataroff, Wolf-Rüdiger Bub);

NJW-Spezial 2023, 1 (Michael Drasdo);

LMK 2023, 806154 (Prof. Dr. Carl-Heinz Witt).

 
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