Entscheidung der Woche 20-2022 (ZR)
Julia Brandt
Der Umstand, dass die Durchführung einer Hochzeitsfeier mit der geplanten Bewirtung von 70 Personen aufgrund verschiedener Regelungen in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Corona-Schutzverordnung nicht zulässig war, führt nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Aktenzeichen & Fundstelle
Az.: BGH XII, XII ZR 36/21
in: BeckRS 2022, 7226.
A. Orientierungs- oder Leitsatz
1. Der Umstand, dass die Durchführung einer Hochzeitsfeier mit der geplanten Bewirtung von 70 Personen aufgrund verschiedener Regelungen in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Corona-Schutzverordnung nicht zulässig war, führt nicht zu einem Mangel des Mietgegenstands im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB.
2. Für einen Mieter, der Räume zur Durchführung einer Veranstaltung gemietet hat, kommt grundsätzlich ein Anspruch auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 I BGB in Betracht, wenn die Veranstaltung aufgrund von hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht in der geplanten Form stattfinden kann. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles zu beachten.
B. Sachverhalt
Die Kläger (K), die bereits am 11.12.2018 standesamtlich geheiratet hatten, mieteten bei der Beklagten (B) Räumlichkeiten für eine am 01.05.2020 geplante Hochzeitsfeier mit rund 70 Personen an. Die B sandte den K am eine auf den 05.04.2019 datierte Rechnung zu, die diese auch bezahlten. Die geplante Feier konnte jedoch wegen der zu der Zeit geltenden Coronaschutzverordnung (CoronaSchVO) nicht durchgeführt werden, da jene Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen untersagte. Die K erklärten am 24.04.2020 den Rücktritt vom Vertrag und verlangten ihr Geld zurück. Die B verweigerte die Rückzahlung mit der Begründung den K bereits am 23.03.2020 unter Angabe von Alternativterminen angeboten zu haben, die Hochzeit zu verschieben.
Die K verlangen nun Rückzahlung der Miete.
C. Anmerkungen
Ein Anspruch aus §§ 346 I, 326 IV, 326 I BGB besteht nicht. Der B war die Bereitstellung der Mietsache nicht iSd § 275 I BGB unmöglich. Zwar war die Durchführung von Veranstaltungen mit mehr als zwei Personen aufgrund der geltenden CoronaSchVO untersagt, Regelungen, die eine gewerbliche Überlassung von Mieträumen an Privatpersonen untersagt, enthielt die CoronaSchVO indes nicht. Der B war die Bereitstellung der Mietsache daher weiter möglich. Ein Anspruch auf Rückzahlung ergibt sich auch nicht aus § 812 I 1 1. Alt BGB. Die hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie stellen keinen Mangel iSd § 536 I BGB, der zur einer Mietminderung ipso iure führt. Die gesetzgeberischen Maßnahmen knüpfen nicht an der Beschaffenheit, der Lage oder dem Zustand der Mietsache an.
Die CoronaSchVO verbot nur die Durchführung von Veranstaltungen. nicht aber die bloße Gebrauchsüberlassung der Mietsache. Ein Mangel ergibt sich auch nicht aus dem vereinbarten Mietzweck. Der Vermieter hat nur dann für behördliche Verbote u.Ä. einzustehen, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde. Der Mieter kann nicht erwarten, dass der Vermieter diesbezüglich eine unbedingte Einstandspflicht übernehmen wollte. Mangels Unmöglichkeit steht den K daher auch kein Kündigungsrecht aus § 543 I 1, II 1 Nr. 1 BGB zu.
Grundsätzlich in Betracht käme ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 I BGB. Durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen weitreichenden Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens hat sich die sog. große Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag schwerwiegend geändert. Die Parteien konnten die veränderten Umstände bei Vertragsabschluss nicht vorhersehen, hätten den Vertrag aber bei Kenntnis mutmaßlich mit einem anderen Inhalt abgeschlossen. Allerdings kann den Parteien das Festhalten am Vertrag weiterhin zugemutet werden.
Der Mieter trägt grundsätzlich das Verwendungsrisiko der Mietsache. Die besonderen Umstände der Corona-Pandemie gehen jedoch über das nur vom Mieter zu tragende Verwendungsrisiko hinaus. Ein Anspruch auf Vertragsanpassung ergibt sich indes nur nach einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalles. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass den K eine andere Form der Vertragsanpassung umöglich geworden wäre. Die Hochzeitsfeier stand in keinem Zusammenhang mit der Hochzeit, da diese bereits eineinhalb Jahre vorher stattgefunden hatte. Die B hatte schon im März 2020 Alternativtermine genannt, so dass eine Verschiebung faktisch möglich gewesen wäre. Dass die K eine Absage der Feier einer Verschiebung vorzogen, liegt allein in ihrem Risiko.
Ein Rückzahlungsanspruch besteht daher nicht.
D. In der Prüfung
I. §§ 346 I, 326 IV, 326 I BGB
(P) § 275 I BGB
II. § 812 I 1 1. Alt. BGB
(P) Mangel iSd. § 536 I BGB
III. § 543 I 1, II 1 Nr. 1 BGB
IV. §§ 346 I, 313 I, III
(P) Vertragsanpassung unzumutbar
E. Literaturhinweise
Finkenauer in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg, MüKOBGB, 8. Auflage 2019, § 313 BGB Rn. 1-306.