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Entscheidung der Woche 21-2020 (SR)

Adam Hetka

Die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will oder abgewendet hat, muss nicht zwangsläufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden. Gerade der Umstand, dass eine Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, darf als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH 1 StR 150/19

in: NStZ 2019, 518

StV 2020, 93

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will oder abgewendet hat, muss nicht zwangsläufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden. Gerade der Umstand, dass eine Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, darf als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden. So ist allein der Umstand, dass sich die Trennung des Partners wegen des Vorverhaltens des Täters und des Zustands der Beziehung als „völlig normaler Prozess“ darstellt und daher von diesem hinzunehmen ist, nicht geeignet, die Tötung des Partners, die wie jede vorsätzliche und rechtswidrige Tötung verwerflich ist, als völlig unbegreiflich erscheinen zu lassen.


B. Sachverhalt

Aufgrund seines täglichen Alkoholkonsums gerät A mit seiner Ehefrau B in ein Streitgespräch, woraufhin sich B von A trennt und ihn auffordert, aus ihrer Wohnung auszuziehen. Als sie am nächsten Morgen das Haus verlässt, um zur Arbeit zu gehen, folgt A ihr mit einem Messer in der Jackentasche in dem Vorhaben, sie zu töten, sollte sie ihm keine weitere Chance geben. B beharrt jedoch auf ihrem Beschluss und wendet sich von A ab. Daraufhin sticht ihr A mit Tötungsabsicht von hinten vier Mal in den Rücken, woraufhin B zu Boden fällt und versucht, sich gegen weitere Angriffe des B zu verteidigen. Dieser setzt sich auf die auf dem Rücken liegende B und sticht weiter mehrmals auf ihren Brustbereich ein. Als sich B nicht mehr bewegt, lässt A von ihr ab. B verstirbt infolge der Blutungen.

Hat sich A wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen strafbar gemacht?


C. Anmerkungen

Der Auffassung des LG München I, wonach ein Mord anzunehmen sei, bei welchem die Mordmerkmale der Heimtücke, § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB, und der niedrigen Beweggründe, § 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 4 StGB, vorlägen, stimmte der BGH nur teilweise zu. Während das Merkmal der Heimtücke gegeben sei, sei, anders als vom LG angenommen, die Enttäuschung des A nicht ausreichend, um einen niedrigen Beweggrund nach § 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 4 StGB anzunehmen. Die Motivgeneralklausel sei restriktiv auszulegen, was zur Folge habe, dass nicht jede Tötung ohne einen „vernünftigen Grund“ als niedriger Beweggrund zu qualifizieren sei.

So hat der BGH zur Tötung des trennungswilligen Intimpartners zunächst festgehalten, dass sich die Trennung des Ehepartners aufgrund des Vorverhaltens des Täters als „völlig normaler Prozess“ darstellt. Aus diesem Grund sei die Trennung von diesem hinzunehmen. Dies führe allerdings nicht zu-gleich auch dazu, dass die Tötung der B, welche wie jede vorsätzliche und rechtswidrige Tötung ohnehin verwerflich sei, als völlig unbegreiflich erscheine. Daher seien die vom LG München I getroffenen Feststellungen zur Annahme sonst niedriger Beweggründe nicht ausreichend. Außerdem dürfe nach Auffas-sung des BGH der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden.


D. In der Prüfung

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Tötung eines anderen Menschen

b) Tatbezogene Mordmerkmale (2. Gruppe)

c) Kausalität

d) Objektive Zurechnung

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz

b) Täterbezogene Mordmerkmale: Sonstige niedrige Beweggründe


E. Zur Vertiefung

Allgemein zum Mord: Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, 21. Aufl. 2020, § 4;

vgl. zu der vorliegenden Entscheidung auch die Besprechung von Ladiges, RÜ 2019, 510.

 
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