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Entscheidung der Woche 22-2019 (ZR)

Jonas Vonjahr

Verkaufsstände auf einer Messe, die vornehmlich dem Verkauf dient, sind als bewegliche Gewerberäume i.S.d. § 312b Abs. 2 S. 1 BGB zu klassifizieren. Demnach steht einem Käufer in den Fällen des Kaufes an einem solchen Stand kein Widerrufsrecht nach §§ 312g Abs. 1, 355 BGB zu.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH VIII ZR 82/17

in: BeckRS 2019,

LSK 2019, 7655

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Verkaufsstände auf einer Messe, die vornehmlich dem Verkauf dient, sind als bewegliche Gewerberäume i.S.d. § 312b Abs. 2 S. 1 BGB zu klassifizieren. Demnach steht einem Käufer in den Fällen des Kaufes an einem solchen Stand kein Widerrufsrecht nach §§ 312g Abs. 1, 355 BGB zu.


B. Sachverhalt

Der Kläger – ein Verbraucher – und die Beklagte – ein gewerblicher Vertreiber von Einbauküchen – schlossen am 20.04.2015 auf der „Messe Rosenheim“ einen Kaufvertrag über den Kauf einer Einbauküche. Auf die Zahlungsaufforderung des Beklagten hin verweigerte der Kläger die Zahlung und berief sich dabei auf einen Widerruf. Diesen hatte der Kläger noch am Tag des Kaufes erklärt. Da der Kläger der Meinung war, dass es sich bei dem Kaufvertrag um einen außerhalb von Gewerberäumen geschlossenen Kaufvertrag handelte, berief er sich bei seinem Widerruf auf § 312g Abs. 1 BGB. Dem hält die Beklagte entgegen, dass es sich bei dem Messeverkaufsstand um einen beweglichen Gewerberaum i.S.d. § 312b Abs. 2 S. 1 BGB gehandelt habe.


C. Anmerkungen

Zivilrechtliche Klausuren mit verbraucherschutzrechtlichen Aspekten sind beliebt. Die Frage nach den Kriterien für einen beweglichen Gewerberaum sind dabei ein denkbarer Aufhänger.

Der BGH musste sich bereits im Jahr 2015 mit der Frage beschäftigen, ob ein Messestand einen beweglichen Gewerberaum i.S.d. § 312b Abs. 2 S. 1 BGB darstellt. Diese Frage hatte der BGH bereits in diesem Zusammenhang dem EuGH gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Laut EuGH ist Art. 2 Nr. 9 lit. b der Richtlinie 2011/83/EU dahingehend auszulegen, dass ein Messestand unter den Begriff „Geschäftsräume“ i.S.d. Richtlinie fällt, „wenn in Anbetracht aller tatsächlichen Umstände rund um die Tätigkeiten und des Erscheinungsbildes des Messestands selbst, sowie der vor Ort verbreiteten Informationen ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeit ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen.“

Diese Bewertung erfolgte insbesondere aus dem Grund, dass die Richtlinie den Verbraucher unter anderem davor schützen soll, außerhalb von Geschäftsräumen einem Überraschungsmoment oder erhöhtem Abschlussdruck ausgesetzt zu sein.

Die Formulierung „bewegliche Gewerberäume“ in § 312b Abs. 2 S. 1 BGB ist dabei parallel zur Richtlinie übernommen worden. Die Auslegung der Vorschrift ist daher an der Vorabentscheidung des EuGH zu orientieren.

Der BGH würdigt in seiner Entscheidung maßgeblich den für den durchschnittlichen Verbraucher erkennbaren Charakter der gesamten Messe sowie das im „Messekontext“ zu beurteilende, konkrete Angebot des Messestandes. Tatsächliche Feststellungen zum konkreten Erscheinungsbild des Messestandes sieht der BGH nicht als entscheidend an.

Für den Fall der „Messe Rosenheim“, bei der in 14 Ausstellungshallen 19 verschiedene Branchen einen „bunten Mix“ an Produkten präsentieren und bei der an der deutlichen Mehrzahl der Stände die Möglichkeit besteht, mit den Betreibern Kaufverträge abzuschließen, geht der BGH davon aus, dass das Gesamtbild der Messe geeignet ist, einem durchschnittlichen Verbraucher deutlich zu machen, dass die Messe nicht unerheblich Verkaufszwecken dient. Dass neben Verkaufsständen auch offensichtliche Informations- und Werbestände auf der Messe vertreten sind, steht dieser Wertung nicht entgegen.


D. In der Prüfung

Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB

I. Anspruch entstanden, § 433

II. Anspruch erloschen, §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1 S. 1 BGB

III. Ergebnis


E. Zur Vertiefung

EuGH, Urt. v. 07.08.2018 - C-485/17 (zur Einordnung von Messeständen als „Geschäftsräume“).

 

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