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Entscheidung der Woche 22-2023 (ZR)

Jolanda Fiss

Der zwischen einem – gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2011 verstoßende - Online-Glücksspielanbieter und einem Spieler geschlossene Spielvertrag ist gem. § 134 BGB nichtig.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: OLG Dresden 10 U 736/22

in: RÜ 1/2023, S. 151 ff.

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze

Der zwischen einem – gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2011 verstoßende - Online-Glücksspielanbieter und einem Spieler geschlossene Spielvertrag ist gem. § 134 BGB nichtig. Leistungen des Spielers an einen solchen Anbieter können nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt BGB zurückgefordert werden. Die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB ist in den Fällen aufgrund des Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht anwendbar.


B. Sachverhalt

B bietet im europäischen Ausland virtuelle Glücksspiele an, die wie Glücksspielautomaten funktionieren sollen. Sie verfügt dort über eine Glücksspiel-Erlaubnis, nicht aber in Deutschland. Auf Letzteres weist B auf ihrer Internetseite nicht hin, sondern wirbt nur allgemein mit der Angabe, dass sie „nach europäischem Recht über die erforderlichen Glücksspiel-Lizenzen und Genehmigungen“ verfüge. Der in Deutschland ansässige K hat sich auf der Seite der B angemeldet und verspielte dort zwischen dem 22.06.2019 und dem 29.05.2019 insgesamt 19.250 €, indem er 25.850 € setzte, aber nur 6.600 € gewann. Den Spieleinsatz bezahlte K in Teilbeträgen an B auf das von ihr benannte Konto.

K begehrt die Rückzahlung der verlorenen Beträge. B meint, dass das von ihr angebotene Glücksspiel-Angebot im Internet legal gewesen sei, denn § 4 Abs. 4 GlüStV 2011 sei wegen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit unwirksam. Außerdem sei sie entreichert, da sie in Befolgung des GlüStV 85 % der vereinnahmten Spieleinsätze wieder an andere Teilnehmer ausgeschüttet habe, sodass ein Anspruch des K nicht bestehe.


C. Anmerkungen

K hat einen Anspruch auf Erstattung von 19.250 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.

B hat durch die veranlassten Überweisungen durch K eine Gutschrift nach § 675t BGB erlangt, welche aufgrund einer bewussten und zweckgerichteten Mehrung fremden Vermögens erfolgte, mithin durch Leistung des K. Die Leistung erfolgte jedoch ohne Rechtsgrund. § 4 Abs. 4 GlüStV 2011 will das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verhindern, sodass es sich um ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB handelt.

Ein Ausschluss folgt nicht aus § 762 BGB, wonach durch Spiel oder durch Wette zwar eine Verbindlichkeit nicht begründet wird, gleichwohl das in diesem Rahmen geleistete deshalb nicht zurückgefordert werden kann. Erforderlich ist, dass die Rückforderung auf Spielcharakter gestützt wird, hier beurteilt sich die Rückforderung aber aufgrund rechtsgrundlos erbrachter Leistung nach § 812 BGB, weil der Spiel- oder Wettvertrag unwirksam ist.

Die Rückforderung ist auch nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen, da K keine Kenntnis davon hatte, dass der Spielvertrag nichtig ist und er deshalb nicht zur Leistung verpflichtet war.

Letztlich greift auch nicht die Kondiktionssperre nach § 817 S. 2 BGB. Der GlüStV ist unter anderem dazu bestimmt, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern, sowie die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abzuwehren. Es geht gerade um eine generalpräventive Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubtem Glücksspiel entgegenzuwirken. Diesem Schutzzweck liefe es zuwider, wenn die vom Spieler getätigten Einsätze kondiktionsfest wären. Außerdem hat K sich der Erkenntnis, dass Online-Glücksspiel verboten war, nicht leichtfertig verschlossen i.S.d § 817 S. 2 BGB.

Dafür spricht, dass die Existenz der verschiedensartigsten, oft eher rechtstechnisch zu verstehenden Verbotsgesetze nicht ohne Weiteres als bekannt vorausgesetzt werden können. So auch im Hinblick auf das absolute Verbot des Internet-Glückspiels in § 4 Abs. 4 GlüStV. Dafür spricht auch, dass sich auf der Website kein Hinweis auf die Illegalität findet, sondern eher das Gegenteil ist der Fall.

Letztlich kann B sich auch nicht auf § 818 Abs. 3 BGB, die Entreicherung, berufen, denn sie trifft die verschärfte Haftung nach § 819 Abs. 2 BGB, da sie gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.


D. In der Prüfung

Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt BGB

I. Etwas Erlangt

II. Durch Leistung

III. (P) Ohne Rechtsgrund

IV. (P) Kein Ausschluss der Rückforderung nach § 814 BGB; 817 S. 2 BGB

V. (P) Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB


E. Literaturhinweise

BeckRS 2021, 36592;

BeckRS 2022, 28130;

Rock, Rückzahlungsansprüche bei unerlaubtem Online-Glücksspiel, ZfWG 2022, 118;

Brüggemann, Online-Glücksspiel im Jahr 2021, ZfWG 2022, 333.

 
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