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Entscheidung der Woche 23-2020 (ZR)

Robin Dudda

Die Betriebserlaubnis für ein Fahrzeug erlischt im Falle nachträglicher Veränderungen (hier: Montage nicht zugelassener Felgen) nur dann, wenn diese mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer verursachen.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH, Urt. v. 11.12.2019 – VIII ZR 361/18

in: BeckRS 2019, 35942

 

A. Orientierungssatz

Die Betriebserlaubnis für ein Fahrzeug erlischt im Falle nachträglicher Veränderungen (hier: Montage nicht zugelassener Felgen) nur dann, wenn diese mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer verursachen. Dabei haben Behörden und Gerichte für jeden konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die betreffende Veränderung eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern nicht nur für möglich erscheinen, sondern erwarten lässt.

Die Setzung einer Frist zur Nacherfüllung ist nach § 325 Abs. 5 BGB nur dann entbehrlich, wenn beide Varianten der Nacherfüllung unmöglich sind.


B. Sachverhalt (gekürzt)

K schloss mit Autohändler B einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw der Marke BMW. Der Kaufvertrag umfasst einen Satz gebrauchter Winterräder mit Alufelgen. Die Allgemeine Betriebserlaubnis für die Winterräder soll B laut Kaufvertrag nachreichen. Die beschriebenen Felgen sind Einzelstücke einer besonderen Edition, die nicht mehr lieferbar sind. Am selben Tag wurde K der PKW nach Kaufpreiszahlung mit montierten Winterrädern übergeben. Allerdings stammten die Felgen nicht vom Hersteller des Fahrzeugs und waren für dieses Modell nicht zugelassen. Entgegen der Zusage im Kaufvertrag kann B die Allgemeine Betriebserlaubnis für die Felgen nicht nachreichen. Durch die Nutzung der nicht zugelassenen Felgen wird mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer verursacht. Aufgrund der fehlenden Allgemeinen Betriebserlaubnis für die Felgen tritt K vom Kaufvertrag zurück.

Hat K gegen B einen Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung?


C. Anmerkungen

Ein solcher Anspruch könnte sich aus §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 326 V, 346 Abs. 1, 348 BGB, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, ergeben. Hierfür müssten die Bedingungen eines Rücktritts erfüllt sein. Ein Sachmangel könnte sich zunächst aus einer Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben. An eine Beschaffenheitsvereinbarung iSd § 434 Abs. 1 S. 1 BGB sind strenge Anforderungen zu stellen, es ist eine ausdrückliche Vereinbarung erforderlich. B hat für das Vorliegen einer Allgemeinen Betriebserlaubnis der Felgen in vertragsgemäß bindender Weise Gewähr übernommen. Das Fehlen der Allgemeinen Betriebserlaubnis begründet daher einen Sachmangel iSv § 434 Abs. 1 S. 1. Aufgrund des weiten Sachmangelbegriffs, der auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt umfasst, ist unerheblich, dass der Mangel lediglich die Felgen und nicht direkt das Fahrzeug betrifft, zumal die fehlende Betriebserlaubnis Auswirkungen auf die Beschaffenheit des Fahrzeugs selbst hat.

Jedenfalls liegt ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB vor, da die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer aufgrund der Felgen gem. § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StVZO zum Erlöschen der Betriebserlaubnis für das gesamte Fahrzeug führen kann und das Fahrzeug somit nicht zur gewöhnlichen Verwendung geeignet ist.

Fraglich ist, ob hier die Nachlieferung unmöglich und die Fristsetzung mithin entbehrlich ist. Dass hier eine Stückschuld vorliegt, schließt eine Nachlieferung grundsätzlich nicht aus. Entscheidend ist vielmehr, ob nach dem Parteiwillen eine Nachlieferung von gleichartigen oder gleichwertigen Felgen in Betracht kommt. Bei den Felgen handelt es sich jedoch um Einzelstücke, weshalb eine Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB unmöglich, und die Fristsetzung gem. § 326 Abs. 5 BGB entbehrlich ist. Schließlich dürfte der Rücktritt nicht wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ausgeschlossen sein, § 323 Abs. 2 S. 5. Die Erheblichkeit der Pflichtverletzung ist hier jedoch bereits durch den Verstoß gegen die Beschaffenheitsvereinbarung indiziert und ergibt sich zudem daraus, dass gem. § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StVZO ein Erlöschen der Betriebserlaubnis droht.


D. In der Prüfung

I. Kaufvertrag

II. Rücktrittserklärung, § 349 BGB

III. Sachmangel bei Gefahrübergang § 446 S. 1 BGB

(P) Mangel nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung

IV. Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 326 Abs. 5 BGB

V. Kein Ausschluss nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB


E. Zur Vertiefung

Zum Ausschluss des Rücktrittsrechts: Brox/ Walker, Besonderes Schuldrecht, 44. Auflage 2020, § 4 Rn. 61 ff.

 

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