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Entscheidung der Woche 23-2023 (SR)

Emilia Debertin

Ein gefährliches Werkzeug kann auch eine Jacke sein, unabhängig ihrer Beschaffenheit i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB...

Aktenzeichen & Fundstelle

Az: KG, 25.07.2022 - 3 Ss 34/22, (3) 161 Ss 93/21 (34/22)

in: RÜ 5/23, 310 f.

 

A. Orientierungs- oder Leitsätze

Ein gefährliches Werkzeug kann auch eine Jacke sein, unabhängig ihrer Beschaffenheit i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB, da auch eine Jacke ein Gegenstand ist, der zur Erleichterung einer Handlung als „Nicht-Körperteil“ in der konkreten Verwendung, eingesetzt werden kann, um erhebliche Verletzungen herbeizuführen.


B. Sachverhalt

Der Angeklagte A griff seine ehemalige Lebenspartnerin B an. Dabei presste er auch seine Jacke auf ihr Gesicht, sodass sie in Folge des Sauerstoffmangels für kurze Zeit das Bewusstsein verlor. Kurz davor wurde A bereits aus der Wohnung verwiesen, nachdem er B schon einmal angegriffen hatte.

Hat A sich wegen gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1, Nr. 2, Alt. 2 StGB bzgl. der Jacke strafbar gemacht?


C. Anmerkungen

Das Kammergericht hat den Gebrauch einer Jacke als ein gefährliches Werkzeug gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB eingeordnet. Begründet wurde dies mit dem Gebrauch, der geeignet sei, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Unter einem gefährlichen Werkzeug sind solche Gegenstände zu verstehen, die in ihrer konkreten Verwendung eingesetzt werden können, um erhebliche Verletzungen herbeizuführen, die kein Körperteil sind.

Mit Bezug auf den vorliegenden Fall wurde dies angenommen. A nutzte vorliegend die Jacke, um seiner ehemaligen Lebenspartnerin die Luftzufuhr zu nehmen. Indem der fehlende Sauerstoff mit einer Bewusstlosigkeit einherging, wurde die Jacke mithin eingesetzt, um erhebliche Verletzungen herbeizuführen.

Insgesamt hat sich A folglich nach §§ 223 I, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB strafbar gemacht.

Damit ein Gegenstand als gefährliches Werkzeug eingeordnet werden kann, kommt es immer auf den Einzelfall an. Die genaue Auslegung kann sich demnach durch sich ändernde Rechtsprechung ebenfalls anpassen.

Bei dieser Problematik können folglich auch ungefährliche Dinge aufgrund ihrer konkreten Verwendung als gefährliche Werkzeuge i.S.d. § 224 I Nr. 2 1. Alt. StGB verstanden werden. Neben der o.g. Jacke wurde so auch schon ein Bleistift gegen das Auge, ein Straßen- Turn- und Absatzschuh beim Treten insbesondere gegen gefährdete Körperregionen, ein Gipsarm, ein Schal beim Würgen und sogar eine Salami als gefährliches Werkzeug aufgrund der konkreten Beschaffenheit und Verwendung angenommen.

Abgelehnt wurde dies jedoch bzgl. eines Küchenmessers, dass zum Abschneiden von Haaren genutzt wurde, da das Messer in der Situation nicht dazu benutzt und folglich auch nicht geeignet war, gravierende Verletzungen herbeizuführen. Weiterhin wurde ein gefährliches Werkzeug abgelehnt bzgl. eines dünnen Ledergürtels bei nur geringen, wenig intensiven Schlägen. Auch hier wurde die konkrete Gefährlichkeit wegen der geringen Intensität und der Art der Benutzung im Einzelfall abgelehnt.

Festgehalten werden muss also, wie der jeweilige Gegenstand im konkreten Einzelfall verwendet wird, um eine „Gefährlichkeit“ festzustellen.


D. In der Prüfung

I. Objektiver Tatbestand

1. Voraussetzungen des § 223 Abs. 1 StGB

a. Körperliche Misshandlung

b. Gesundheitsschädigung

2. Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt.

II. Subjektiver Tatbestand

1. Vorsatz bezüglich der Voraussetzungen der einfachen

Körperverletzung

2. Vorsatz bezüglich der Voraussetzungen der gefährlichen

Körperverletzung

III. Rechtswidrigkeit

IV. Schuld


E. Literaturhinweise

BeckRS 2022, 29838 KG: Jacke als gefährliches Werkzeug;

NK-StGB/Paeffgen/Böse/Eidam, 6. Aufl. 2023, StGB § 224;

bzgl. Schuhen: BGH 16.6.2015 - 2 StR 467/14 und 1.12.2006 - 2 StR 470/06;

bzgl. Gipsarm: BGH 01.12.2006 - 2 StR 470/06;

bzgl. Salami: BGH (2.Senat) vom 02.04.2008 - 2 StR 529/07;

bzgl. Messer bei Haaren: BGH vom 17.04.2008 - 4 StR 634/07 = NStZ-RR 2009, 50;

bzgl. dünnem Ledergürtel: BGH vom 05.09.2006 - 4 StR 313/06 (LG Essen).

 

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