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Entscheidung der Woche 23-2025 (ZR)

Ronja Beyer

Der Rückerhalt der Mietsache iSd § 548 Abs. 1 S. 2 BGB setzt eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil dieser erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen.

Aktenzeichen und Fundstelle

Az.: BGH XII ZR 96/23

in: BGH NZM 2025, 349; BGH NJW-RR 2025, 524; BeckRS 2025, 52535; FD-MietR 2025, 805598

A. Orientierungs - oder Leitsätze

1. Der Rückerhalt der Mietsache iSd § 548 Abs. 1 S. 2 BGB setzt eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil dieser erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen.

2. Für den Verjährungsbeginn ist der Rückerhalt der Mietsache auch dann maßgeblich, wenn der Mietvertrag noch nicht beendet ist mit der Folge, dass ein Anspruch iSd § 548 Abs. 1 S. 1 BGB bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses verjähren kann.

3. Zum Rückerhalt der Mietsache bei Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Vermieters.


B. Sachverhalt

Der Kläger vermietet seit dem 17. Juni 2009 an die Beklagte eine Halle mit Büro und Stellplätzen. Dieses Mietverhältnis wird ab dem 5. Juni 2012 um zusätzliche Gewerbeflächen erweitert. Dabei wird vereinbart, dass sich der Mietvertrag um ein Jahr verlängert, sofern nicht mit einer Frist von drei Monaten im voraus gekündigt wird. Die Beklagte kündigte das Mietverhältnis im Jahr 2020. Allerdings erfolgte dies nicht fristgerecht, weshalb der Kläger - mit Verweis auf die nicht eingehaltene Kündigungsfrist - der Kündigung widersprach.

Die Räumlichkeiten wurden in Anbetracht dessen weiterhin von der Beklagten bis zum 31. Dezember 2020 genutzt. Am selbigen Tag warf die Beklagte die Schlüssel zu den gemieteten Flächen in den Briefkasten des Klägers. Der Kläger widersprach diesem Einwurf mit Schreiben vom 07. Januar 2021 und verdeutlichte darin, dass er mit dem Vorgehen der Beklagten nicht einverstanden sei.

Im August 2021 - knapp zwei Monate nach Beendigung des Mietverhältnisses - machte der Kläger sowohl ausstehende Mietforderungen als auch einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 32.075,52 € geltend. Das Landgericht Berlin verurteilte die Beklagte zur Zahlung der ausstehenden Mietforderungen.

Der Schadensersatzanspruch wurde dem Kläger allerdings unter Verweis auf die Verjährung versagt. Nachdem das Urteil im zweiten Instanzenzug vom Oberlandesgericht bestätigt wurde, erhob der Kläger Revision vor dem Bundesgerichtshof.


C. Anmerkungen

Der BGH befasst sich mit der Frage, ob Schadensersatzansprüche des Vermieters aufgrund von Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjährt sind. Zentrale Vorschrift hierfür ist der § 548 Abs. 1 S. 1 BGB, der eine sechsmonatige Verjährungsfrist vorsieht. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Vermieter die Mietsache zurückerhält.

Der BGH führt aus, dass ein Rückerhalt der Mietsache voraussetzt, dass sich die Besitzverhältnisse zu Gunsten des Vermieters verändern und der Mieter seinen Besitz vollständig und unzweideutig aufgibt.

Die Änderung dieses Besitzverhältnisses und die Erlangung der unmittelbaren Sachherrschaft durch den Vermieter führe dazu, dass dieser sich ungestört ein umfassendes Bild von der Mietsache und den etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen machen kann.

Der BGH betont hierbei auch nochmals, dass für den Rückerhalt der Mietsache nach § 548 Abs. 1 S. 2 BGB die Beendigung des Mietverhältnisses nicht Voraussetzung ist. So können Ansprüche nach § 548 Abs. 1 S. 1 BGB auch bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses verjähren.

Auch fehlende Rücknahmebereitschaft stehe einem Verjährungsbeginn nicht entgegen. Ein fehlender "Rücknahmewille" führt nicht zwangsläufig zu einem fehlenden generellen Besitzwillen des Vermieters. Ein genereller Besitzwille bzw. eine Sachherrschaft sei auch bei aufgedrängter Sachherrschaft anzunehmen, wenn der Vermieter im alleinigen Besitz der Schlüssel ist und diese nicht etwa an den Mieter zurückgibt. Der Vermieter habe ein Interesse daran, dass stets jemand Besitz an der Mietsache begründe.


D. In der Prüfung

I. Ersatzansprüche des Vermieters i.S.d. § 548 Abs. 1 S. 1 BGB (Anspruchsgrundlage nach §§ 280 ff. BGB)

1. Anspruch entstanden (Keine rechtshindernden Einwendungen)

a. Schuldverhältnis

b. Pflichtverletzung

c. Vertretenmüssen / Keine Exkulpation

d. Schaden

2. Anspruch erloschen (Keine rechtsvernichtenden Einwendungen)

3. Anspruch durchsetzbar (Keine rechtshemmenden Einreden)

(P) Einrede der Verjährung nach § 548 Abs. 1 S. 1 BGB


E. Literaturhinweise

MüKoBGB/Bieber BGB § 548 Rn. 8 ff.;

Blank, Anspruchsverjährung beim Vermieter auch ohne Besitzwechsel? , NJW 2014, 1985;

Lehmann-Richter, Verjährung vor Vertragsende, NZM 2009, 761


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