Entscheidung der Woche 24-2018 (ÖR)
Rocky Glaser
Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt kein objektives Verfassungsprinzip, nach dem Rechtsbeziehungen zwischen Privaten prinzipiell gleichheitsgerecht zu gestalten wären.
Wo?
Az.: BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018 -1 BvR 3080/09-
in: www.bundesverfassungsgericht.de
Was?
BVerfG, Beschluss vom 11.04.2018
Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt kein objektives Verfassungsprinzip, nach dem Rechtsbeziehungen zwischen Privaten prinzipiell gleichheitsgerecht zu gestalten wären. Es gilt der Grundsatz der Privatautonomie, Art. 2 Abs. 1 GG. Gleichheitsrechtliche Anforderungen für das Verhältnis zwischen Privaten können sich jedoch aus Art. 3 Abs. 1 GG für spezifische Konstellationen ergeben.
So entfalte das Gleichbehandlungsgebot bei einem Ausschluss von Veranstaltungen, die „[...] in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheiden“ mittels Hausrecht (hier: Stadionverbot) im Einzelfall mittelbare Drittwirkung über §§ 862, 1004 BGB. Ähnliches gelte für Fälle, in denen die Entscheidungsmacht aus einem Monopol oder struktureller Überlegenheit folge.
Art. 3 Abs. 1 GG verlangt in seiner Ausprägung als Willkürverbot für den Ausschluss einen sachlichen Grund. Damit verbunden sind besondere Verfahrenserfordernisse wie beispielsweise die Anhörung des Betroffenen. Als sachlicher Grund genügt vor dem Hintergrund von Art. 14 Abs. 1 GG der Anfangsverdacht einer Straftat, selbst wenn das Verfahren nach § 153 StPO eingestellt wurde, soweit künftige Beeinträchtigungen zu erwarten sind.
Warum?
Die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten ist eine häufig geprüfte Problematik in Klausuren. Sie ist im Rahmen der Verfassungsbeschwerde unter dem Punkt der Beschwerdebefugnis zu erörtern. Die Entscheidung zeigt auf, dass nicht nur Freiheits- sondern auch Gleichheitsgrundrechte mittelbare Drittwirkung zwischen Privaten entfalten können. Ein häufiger, schwerwiegender Fehler in Klausuren ist das Übergehen der Problematik in Anbetracht eines zivilrechtlichen Urteils.
Vertiefungsaufgabe
Lektüre des „Lüth-Urteils“ (BVerfG, Beschluss vom 15.01.1958 -1 BvR 400/51-) sowie des Streitstands zur mittelbaren Drittwirkung (BAGE 1, 185, 191 ff.; Lücke, JZ 1999, 377 ff.; Canaris, Grundrechte und Privatrecht, 1999, 34 f.);
Vgl. hierzu auch den völlig anderen Ansatz des EuGH zur unmittelbaren Wirkung der Gleichheitsrechte der GrCH zwischen Privaten (EuGH, 17.04.2018, -C 414/16-, Rn. 77 ff.).