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Entscheidung der Woche 24-2020 (SR)

Simon Künnen

Für den Versuchsbeginn beim Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchdiebstahls i.S.d. § 244 Abs. 4 StGB kommt es maßgeblich auf das Vorstellungsbild des Täters bei der Verwirklichung des qualifizierenden Merkmals des Einbrechens an...

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH 4 StR 397/19

in: NStZ 2020, 353

BeckRS 2020, 6241

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Für den Versuchsbeginn beim Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchdiebstahls i.S.d. § 244 Abs. 4 StGB kommt es maßgeblich auf das Vorstellungsbild des Täters bei der Verwirklichung des qualifizierenden Merkmals des Einbrechens an; handelt er beim Aufhebeln eines Fensters oder bei der gewaltsamen Überwindung eines sonstigen Hindernisses in der Vorstellung, in unmittelbarem Anschluss hieran in die (Privat-)Wohnung einzudringen und hieraus stehlenswerte Gegenstände zu entwenden, so ist die Schwelle zum Versuch regelmäßig überschritten und das geschützte Rechtsgut aus der maßgeblichen Tätersicht bereits konkret gefährdet.


B. Sachverhalt

A hebelte die Terrassentür eines Einfamilienhauses auf, um im Anschluss hieran in das Gebäudeinnere einzudringen und stehlenswerte Gegenstände zu entwenden. Nach erfolgreichem Aufhebeln der Terrassentür wurde er von einer Nachbarin entdeckt und angesprochen; daraufhin sah A sein Vorhaben als gescheitert an und entfernte sich.

Wie hat sich A strafbar gemacht?


C. Anmerkungen

Während der zuvor geschilderte Fall zunächst sehr gewöhnlich erscheint, steckt in der Entscheidung des BGH zum Wohnungseinbruchsdiebstahl gem. § 244 Abs. 4 StGB eine Besonderheit. Denn in seinem Beschluss vom 14.01.2020 stellt der BGH für den Versuchsbeginn auf das Ansetzen zum Qualifikationstatbestand - und nicht etwa auf das Ansetzen zum Grunddelikt - ab.

Grundsätzlich bejaht der BGH auch im vorliegenden Fall einen Versuchsbeginn dann, wenn der Täter unmittelbar ansetzt. Ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung besteht in einem Verhalten des Täters, das nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenakte zur – vollständigen – Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in die Tatbestandsverwirklichung einmündet. Während aber die h.M. und bisherige Rspr. an das Grunddelikt anknüpfen, hier also die Wegnahme im Haus, knüpft der BGH den Versuchsbeginn vorliegend an das Aufhebeln der Terrassentür.

Abstrakt muss dies nicht zu einem Auseinanderfallen des Zeitpunkts für den Versuchsbeginn führen. Denn so würde auch die bisherige Rspr. den Versuchsbeginn zum Zeitpunkt des Aufhebelns bejahen, sofern der Täter unmittelbar anschließend an das Einsteigen die Wegnahme plant. Ob nach der neuen Rspr. nun aber auch ein Versuchsbeginn zu bejahen ist, wenn der Täter zur Qualifikation ansetzt, das Grunddelikt aber noch in weiter Ferne liegt (Bsp.: Der Täter steckt zuhause eine Waffe ein und begibt sich in die Nähe des Tatorts, § 244 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB?), lässt der BGH offen. Herausgestellt wird hingegen, dass es auf den konkreten Einzelfall ankomme. Gleichwohl konstatiert der BGH, dass nicht generell und pauschal ein Einbruchsdiebstahl nach § 244 Abs. 4 StGB ausscheiden könne, nur weil der Täter nicht unmittelbar zur Wegnahme ansetzt. Insofern liegt ein maßgebliches Abweichen von der bisherigen Rspr. und Literatur vor, denn ohne unmittelbares Ansetzen zur Wegnahme liegt kein unmittelbares Ansetzen zum Grunddelikt vor und folglich - nach bisheriger Ansicht - auch kein Versuchsbeginn für den Wohnungseinbruchsdiebstahl.


D. In der Prüfung

I. Tatbestand

1. Tatentschluss

a) in Bezug auf das Grunddelikt

b) in Bezug auf die Qualifikation i.S.d. § 244 StGB

2. Unmittelbares Ansetzen

(P) Bezugspunkt des Ansetzens


E. Zur Vertiefung

Anmerkung zum Urteil und kritische Betrachtung des Rechtsprechungswandels: Kudlich, NStZ 2020, 353;

Zum Versuchsbeginn bei Wohnungseinbruchsdiebstählen nach bisheriger Rspr.: Eisele, JuS 2017, 175.

 
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