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Entscheidung der Woche 24-2021 (ZR)

Patrick Glatz

Dem Mandanten steht nach einer durch ein vertragswidriges Verhalten des Rechtsanwaltes veranlassten Kündigung ein Schadensersatzanspruch nur zu, wenn das vertragswidrige Verhalten des Rechtsanwaltes einen wichtigen Kündigungsgrund bildet und die insoweit zu beachtende Kündigungsfrist von zwei Wochen gewahrt ist.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az. BGH IX ZR 298/19

in: NJW 2020, 2538 (m. Anm. Deckenbrock)

BeckRS 2020, 17493

VersR 2020, 1189

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Dem Mandanten steht nach einer durch ein vertragswidriges Verhalten des Rechtsanwaltes veranlassten Kündigung ein Schadensersatzanspruch nur zu, wenn das vertragswidrige Verhalten des Rechtsanwaltes einen wichtigen Kündigungsgrund bildet und die insoweit zu beachtende Kündigungsfrist von zwei Wochen gewahrt ist.


B. Sachverhalt

Im hier anzumerkenden Fall hatte eine Mandantin ihren Rechtsanwalt auf Schadensersatz gem. § 628 Abs. 2 BGB verklagt. Der Rechtsanwalt war zunächst mit der Prozessführung in einem anderen Prozess beauftragt. Dabei bot er seiner Mandantin mehrfach an eine Auftrags- und Vergütungsvereinbarung zu unterschreiben, mit der eine Recherchehilfe und banktechnische Kompetenz zu diesem Verfahren hinzugezogen werden sollte. Der Rechtsanwalt verschwieg dabei, dass die angesonnene Dienstleistung durch die Firma seiner Frau erbracht werden sollte. Bestandteil der Vergütungsvereinbarung war eine Beteiligung von 16 % an der erstrittenen Schadensersatzforderung. Gleichwohl hatte die in dem Prozess beklagte Partei bereits in Aussicht gestellt sich bei 60% der Schadensersatzforderung vergleichsweise zu einigen. Nach mehrmaligem Auffordern des Rechtsanwalts die Vergütungsvereinbarung doch zu unterzeichnen, kündigte die Mandantin dem Rechtsanwalt das Mandat und suchte sich neue Prozessbevollmächtigte.

Die Mandantin verlangt nun Schadensersatz der Mehrkosten die durch den Anwaltswechsel entstanden sind.


C. Anmerkungen

Auf den ersten Blick mag sich dieser Fall nach dem Lehrbuchbeispiel für die fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung nach § 627 Abs. 1 BGB anhören. Kern des hier besprochenen Urteils des BGH ist aber vielmehr der § 628 BGB, der die aus der fristlosen Kündigung nach § 626 BGB oder § 627 BGB erfolgten Schadensersatzfolgen regelt. Der BGH nimmt den hier anzumerkenden Fall zum Anlass die Reichweite und das Verhältnis des § 626 BGB und § 628 Abs. 2 BGB zu klären. Voraussetzung für den Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB wäre, nach BGH, in diesem Fall gewesen, dass zum einem dem Rechtsanwalt ein Auflösungsverschulden zu Last gelegt werden kann, dass die Schwelle des § 626 BGB überschreitet, und zum anderen, dass die Mandantin bei ihrer Kündigung die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB beachtet.

Der BGH präzisiert hier in seinem Urteil noch nach und verweist darauf, dass die Schadensersatzfolge des § 628 Abs. 2 BGB zwingend mit der Ausschlussfrist des § 626 BGB verknüpft ist. Dies hat zur Folge, dass bei Säumnis dieser Frist das Recht auf außerordentliche Kündigung endet. Begründet wird dies damit, dass nach Ablauf dieser Zeit die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Dienstverhältnisses entfällt. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, kann daher nach Ende dieser Frist ein Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB nicht mehr geltend gemacht werden.

Der BGH stellt weiterhin klar, dass § 628 Abs. 2 BGB gerade nicht als Auffangtatbestand für misslungene außerordentliche Kündigungen genutzt werden könne, denn die eingeführte Ausschlussfrist in § 626 Abs. 2 BGB habe auch zu einer zeitlichen Einengung für den Schadensersatz geführt, mit der Folge, dass bei Nichtwahren der Zwei-Wochen-Frist der Anspruch auf Schadensersatz verloren geht. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB ist daher auch bei der Prüfung des Schadensersatzes nach § 628 Abs. 2 BGB im Falle einer außerordentlichen Kündigung nach § 627 BGB zu prüfen.

Dieser Fall eignet sich in seiner Kürze daher sehr gut noch einmal die Voraussetzungen der Kündigung nach § 626 BGB oder § 627 BGB, sowie die Schadensersatzfolge nach § 628 Abs. 2 BGB zu wiederholen. Die Kündigung von Mandatierungen und der daraus folgende Schadensersatz sind zwar in dem vor dem BGH gelandeten Fall nicht bejaht worden. Denkbar sind aber auch Examensfälle, die die Kündigungen eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit einem Rechtsanwalt zum Gegenstand haben, soweit die Schwelle des gewichtigen Grundes nach § 626 BGB überschritten worden ist.


D. In der Prüfung

I. § 628 Abs. 2 BGB

1. Wirksame außerordentliche Kündigung

a.) § 626 BGB

aa) Wirksames Dienstverhältnis

bb) Wirksame Kündigungserklärung

cc) Kündigungsfrist

dd) Wichtiger Grund

2. Vertragswidriges Vorverhalten das zur Kündigung berechtigt

3. Ergebnis


E. Zur Vertiefung

Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 45. Auflage, Kapitel 3;

BGH, Az. IX ZR 298/19, NJW 2020, 2538 (m. Anm. Deckenbrock);

Alexander, Leistungsstörungen im Dienstvertrag, JA 2015, 321.

 

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