Entscheidung der Woche 25-2025 (ÖR)

Nergis Demirkol
Zwingende Vorgaben in einem Anforderungsprofil müssen anhand objektiv überprüfbarer Kriterien feststellbar sein und dürfen nicht dem Beurteilungsspielraum des Dienstherren unterliegen.
Aktenzeichen und Fundstelle
Az.: BVerwG 2 VR 3.25
in: BVerwG, Beschluss vom 20.05.2025 – 2 VR 3.25 – [ECLI:DE:BVerwG:2025:200525B2VR3.25.0]
A. Orientierungs- oder Leitsätze
Zwingende Vorgaben in einem Anforderungsprofil müssen anhand objektiv überprüfbarer Kriterien feststellbar sein und dürfen nicht dem Beurteilungsspielraum des Dienstherrn unterliegen.
Der Nachweis von Führungseignung darf nicht zur zwingenden Vorgabe eines Anforderungsprofils und damit zur Voraussetzung der Einbeziehung von Bewerbern in einem Auswahlverfahren gemacht werden.
Für eine Heranziehung der Ergebnisse eines Assessmentscenters, mit der in die dienstlichen Beurteilungen eingestellte Einschätzungen ersetzt werden sollen, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.
B. Sachverhalt
Der Antragsteller ist Oberregierungsrat im Dienst der Antragsgegnerin und wird beim BND verwendet. Dieser ist zuletzt für den Beurteilungszeitraum von Juni 2021 bis November 2023 beurteilt worden; er erhielt sowohl im abschließenden Gesamturteil als auch in der Leistungsbewertung die Spitzennote 6,0. Im Befähigungsprofil ist das Beurteilungsmerkmal mit der Höchststufe D (besonders stark ausgeprägt) beurteilt worden.
Im September 2024 schrieb der BND drei mit der A 15 BBesO bewertete Dienstposten als „Sachgebietsleiter/in (m/w/d) mit juristischen Tätigkeiten“, darunter den vom Antragsteller kommissarisch wahrgenommenen, förderlich für Beamte der Besoldungsgruppe A 14 BBesO aus. Als Anforderung, die ein Bewerber erfüllen muss, um in das Auswahlverfahren einbezogen zu werden, ist neben der Befähigung zum Richteramt der „Nachweis von Führungskompetenz als methodische, soziale und methodische Kompetenz zur Personalführung im Sinne des im BND geltenden Grundlagenmoduls für Führungskräfte“ genannt worden.
Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit, dass er bei der Bewertung im Rahmen eines Assessmentscenters nicht die ausreichende Eignung gezeigt habe und deshalb vom Auswahlverfahren ausgeschlossen sei.
Die übrigen Kriterien habe er erfüllt. Die Auswahlentscheidung solle in Kürze getroffen werden.
Nachdem der Antragsteller sich auf alle drei der mit A 15 BBesO bewerteten Dienstposten beworben hatte, noch im Dezember 2024 darüber informiert worden war, dass er das Führungskräfte-Assessmentscenter nicht bestanden hatte, teilte ihm der BND mit Schreiben vom 7. Februar 2025 die hieraus folgende Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren und die beabsichtigte Besetzung der Dienstposten mit den Bedachten mit.
Der Antragsteller legte hiergegen in selbem Monat Widerspruch ein und stellt Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz. Dieser beantragt, der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig zu untersagen, die Dienstposten vor Ablauf einer Frist von zwei Wochen ab Mitteilung über die neuerliche Bescheidung der Stellenbewerbung des Antragstellers mit einem/einer der ausgewählten Bewerber(innen) vorläufig zu besetzen.
C. Anmerkungen
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den der Senat nach § 123 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz zu entscheiden hat, ist zulässig und begründet.
Das BVerwG geht vom Vorliegen eines Anordnungsgrundes i. S. d. § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO aus dem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG aus.
Nach Art. 33 Abs. 2 GG dürfen öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinn nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Wer ist Gegenstand des Verfahrens nicht die Vergabe eines statusrechtlichen Amtes, die regelmäßig nur durch Ernennung erfolgen kann, sondern die antragsgegenständliche vorzeitige Rechtssicherung des Antragsstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG abgelehnt zu beeinträchtigen, weil sie ihm den Zugang zu einer späteren Beförderung nimmt, ist seine Geltendmachung nicht ausgeschlossen.
Zudem erfordert der Ausschluss eines Bewerbers vor der Durchführung des (eigentlichen) Auswahlverfahrens, dass sich die Vorgabe nicht auf ein Merkmal bezieht, das einer wertenden Beurteilung des Dienstherrn unterliegt. Indes seien Kompetenzzuschätzungen regelmäßig keiner Antwort im Ja-Nein-Schema zugänglich und könnten damit nach dem Grundsatz der Bestenauslese keine ausschlaggebende Rolle spielen.
Wegen des Vorliegens von Beurteilungen nicht auf bereits in der dienstlichen Tätigkeit gezeigten Leistungen berufen, könnte die dienstliche Einschätzung nur darauf beruhen, in welchem Umfang ein Bewerber den künftig zu stellenden Anforderungen genügen würde – was wiederum spekulativ ist.
Dies gilt umso mehr, wenn in dem standardisierten Verfahren geprüft wird, ob die geringfügige Teilnahme am Assessmentcenter „objektiv“ als Führungseignung qualifiziert werden kann. Die Frage, ob ein Bewerber durch eine solche Teilnahme hinreichend befähigt ist, liegt regelmäßig außerhalb des Beurteilungsspielraums.
Zudem ergibt sich aus dem beamtenrechtlichen Laufbahnprinzip keine gesetzliche Grundlage zur Einführung eines gesonderten Auswahlkriteriums durch den Dienstherrn.
Das BVerwG hebt hervor: Sei ein Beamter nicht aufgrund einer mangelnden dienstlichen Bewertung, sondern ausschließlich aufgrund des Ergebnisses eines Assessmentcenters vom Auswahlverfahren ausgeschlossen worden, fehle es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage. Der Nachweis von Führungserfahrung verstieße damit gegen den Grundgedanken des beamtenrechtlichen Laufbahnprinzips.
Zudem mangele es an einer gesetzlichen Grundlage zur einer solchen Heranziehung eines Assessmentcenters. Die „ergänzende Heranziehung“ weiterer Hilfsmittel neben der dienstlichen Beurteilung als Auswahlkriterium wurde zwar ausdrücklich gebilligt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 BvR 1958/13 – BVerfGE 141, 56 Rn. 58 m. N.). Der Rückgriff auf die Ergebnisse eines Assessmentcenters zur Ausfüllung der zwingenden Vorgaben eines Anforderungsprofils dagegen schließt die Annahme einer „ergänzenden Heranziehung“ bereits begrifflich aus. Da die Bewerber, die im Assessmentcenter ein negatives Ergebnis erhalten haben, bereits um allein aufgrund dieses Umstands vom weiteren Auswahlverfahren ausgeschlossen sind, ersetzt dieses Auswahlinstrument alle weiteren Entscheidungsgrundlagen.
D. In der Prüfung
I. Zulässigkeit des Antrags
II. Begründetheit
Anordnungsanspruch, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO
Anordnungsgrund, § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO
Glaubhaftmachung
III. Ergebnis
E. Literaturhinweise
BVerfG, Beschluss vom 20.05.2025 - 2 VR 3.25 REWIS RS 2025, 3770