Entscheidung der Woche 26-2025 (ZR)

Marie-Christin Runkel
Hat der Unternehmer dem Verbraucher ermöglicht, über eine Internetseite einen Vertrag über die wiederkehrende Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen zu schließen, so muss er auf der Internetseite eine Kündigungsschaltfläche auch dann bereitstellen, wenn der Verbraucher für die vertraglichen Leistungen des Unternehmers ein einmaliges Entgelt zu entrichten hat und der Vertrag nach der vereinbarten Laufzeit automatisch endet.
Aktenzeichen und Fundstelle
Az.: BGH I ZR 161/24
in: openJur 2025, 14574
A. Orientierungs - oder Leitsätze
1. Hat der Unternehmer dem Verbraucher ermöglicht, über eine Internetseite einen Vertrag über die wiederkehrende Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen zu schließen, so muss er auf der Internetseite eine Kündigungsschaltfläche auch dann bereitstellen, wenn der Verbraucher für die vertraglichen Leistungen des Unternehmers ein einmaliges Entgelt zu entrichten hat und der Vertrag nach der vereinbarten Laufzeit automatisch endet.
2. Für die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses kommt es nicht auf beiderseitige wiederkehrende Leistungspflichten von Verbraucher und Unternehmer an. Entscheidend sind lediglich die des Unternehmers. (eigener Leitsatz)
B. Sachverhalt
Die Beklagte betreibt einen Versandhandel. Über ihre Internetplattform kann die kostenlose "basic" Variante für Nutzerkonten, Bestellungen etc. verwendet werden. Zudem bietet sie gegen ein Jahresentgelt von 9,00 € ein "Plus-Paket" an.
Nutzende, die über ein Kundenkonto bei der Beklagten verfügen, können zwischen dem Basisangebot und dem "Plus-Paket" wählen. Unabhängig von der gewählten Variante sammeln Kund:innen bei Einkäufen über die Plattform der Beklagten Punkte, die sie bei
künftigen Bestellungen einlösen können. Über das "Plus-Paket" besteht jedoch die Möglichkeit, doppelte Punkte durch den Kauf nachhaltiger Produkte zu sammeln. Als weiteren Vorteil des "Plus-Pakets" ist jede Bestellung versandkostenfrei.
Wenn das "Plus-Paket" gebucht wird, beträgt die Laufzeit 12 Monate und endet mit dem Ablauf dessen automatisch, ohne dass eine Kündigung erforderlich ist.
Sofern allerdings die vorzeitige Beendigung des "Plus-Pakets" durch außerordentliche Kündigung beabsichtigt ist, gibt es keinen Kündigungsbutton auf der Startseite bzw. unmittelbar im Kundenkonto zu finden. Erforderlich ist dazu nach Eröffnung des
Kundenkontos die Auswahl mehrerer Optionen auf einer Schaltfläche und im Anschluss das Ausfüllen eines Formulars, um zu der Schaltfläche "Vertrag kündigen" zu gelangen.
Der Verbraucherschutzband klagte dagegen.
C. Anmerkungen
Der BGH hat die Beklagte entsprechend der Klage des Verbraucherschutzbundes verurteilt, es zu unterlassen, Verbraucher:innen kostenpflichtige Vorteilsprogramme
anzubieten, ohne sicherzustellen, dass die Erklärung der außerordentlichen Kündigung über eine hinreichende Kündigungsschaltfl.che erfolgen kann. In der bisherigen Form sei dies gerade unzureichend gewesen und stelle einen Verstoß gegen § 312k BGB dar. Die Verpflichtung des Unternehmers zur Gestaltung der Kündigungsschaltfl.che nach § 312k Abs. 2 S. 1 BGB ist einschlägig, wenn es Verbraucher:innen im elektronischen Geschäftsverkehr ermöglicht wird, einen Vertrag zu schließen, der auf die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses gerichtet ist.
Hierbei ist der Anwendungsbereich nicht dadurch ausgeschlossen, dass Verbraucher:innen nur einmalig das Entgelt von 9,00 € entrichten. Während die Vorinstanz des OLG Hamburgs den Begriff des Dauerschuldverhältnisses dahingehend auslegte, dass die wiederkehrenden Leistungspflichten für beide Seiten bestehen
müssten, vertrat der BGH mit seiner Entscheidung ein weiteres Begriffsverständnis. Kennzeichnend für das Dauerschuldverhältnis sind hier laut dem BGH allein die
Leistungspflichten der beklagten Unternehmerin. Die Bereitstellung des kostenlosen Versandes und die Gewährung von Punktegutschriften sowie Preisvorteilen stellen die
Hauptleistungspflichten dar und sind während der gesamten Vertragslaufzeit fortwährend zu erbringen, sodass die Charakteristika des Dauerschuldverhältnisses gegeben sind.
Dieses weite Begriffsverständnis stehe auch mit dem Sinn und Zweck des § 312k BGB in Einklang. Im elektronischen Geschäftsverkehr seien Verbraucher:innen häufig bereits dadurch benachteiligt, dass ihnen die Kündigung durch die Gestaltung der Website erschwert werde. Durch die so erschwerte Kündigung besteht eine längere Bindung an den Vertrag. Das hat dann wiederum zur Folge, dass sich der Anteil des Betrags verringert, den Unternehmer:innen entsprechend § 628 Abs. 1 S. 3 BGB bzw. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu erstatten haben.
D. In der Prüfung
I. Vorzeitige Beendigung eines Vertrags durch Kündigung gem. § 312k Abs. 6 S. 1 BGB?
1. Verbrauchervertrag
2. im elektronischen Geschäftsverkehr
3. Dauerschuldverhältnis
4. Verstoß gegen § 312k Abs. 2
II. Ergebnis
Der Vertrag ist jederzeit, ohne Kündigungsfrist kündbar.
E. Literaturhinweise
OLG Hamburg, MMR 2025, 295;
Kloth, VuR 2024, 326.26