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Entscheidung der Woche 27-2021 (ZR)

Anna Engel

Bei der Einleitung und Durchführung eines Scheidungsverfahrens, sowie den äußeren Umständen und Modalitäten dieses, handelt es sich um eine familiäre Angelegenheit, die als privat einzustufen ist.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH VI ZR 250/19

in: GRUR-RS 2020,24014

MMR 2021, 152

VersR 2021, 189

RÜ 2021, 16 (m. Anm.)

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

1. Bei der Einleitung und Durchführung eines Scheidungsverfahrens, sowie den äußeren Umständen und Modalitäten dieses, handelt es sich um eine familiäre Angelegenheit, die als privat einzustufen ist.

2. Die Intensität eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht durch einen Wortbericht ist als gering zu werten, wenn es sich um die Behauptung zutreffender Tatsachen handelt, die entweder belanglos sind oder sich allenfalls oberflächlich mit der Person des Betroffenen beschäftigen, ohne einen tieferen Einblick in seine persönlichen Lebensumstände zu vermitteln und ohne herabsetzend oder gar ehrverletzend zu sein.

3. Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung eines Bildes ist nur zulässig, wenn dieses Bild einem der Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden, § 23 Abs. 2 KUG.


B. Sachverhalt (vereinfacht)

K und F, die sowohl alleine als auch als Paar der Öffentlichkeit unter anderem aus TV-Shows bekannt sind, ließen sich nach 12 Jahren Ehe scheiden. Dies nahm B zum Anlass, um auf www.bild.de einen Artikel über das Scheidungsverfahren zu veröffentlichen. Der Artikel beinhaltete Fotos von K und F im Amtsgericht und beim Verlassen des selbigen. Weiterhin wurde auch in Textform Bericht erstattet. Im Wortbericht wurden Fakten über das gemeinsame Leben der beiden, sowie Uhrzeit, Raum und Dauer des Scheidungsverfahrens genannt.

K meint, der Bericht über das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindende Scheidungsverfahren verletzte ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht sowie ihr Recht am eigenen Bild. Sie begehrt daher die Unterlassung der Veröffentlichung.


C. Anmerkungen

Mangels eines gesetzlich normierten Unterlassungsanspruchs für die beeinträchtigten Rechtspositionen kommt lediglich eine Analogie in Betracht. Aus den vom Gesetzgeber normierten Abwehrrechten auf Unterlassung (z.B. § 862 Abs. 1 S. 2 BGB) lässt sich ein allgemeines Prinzip ableiten, das für andere Rechtsgutverletzungen i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB analog § 1004 BGB anwendbar ist.

Entscheidend ist es, zwischen dem Wort- und dem Bildbericht zu unterscheiden. Als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG (APR) verletzt, denn die Scheidung sowie deren konkrete Umstände werden als Teil der Privatsphäre vom Schutzbereich umfasst. Eine Besonderheit ist, dass die Rechtswidrigkeit der Verletzung nicht indiziert wird, sondern im Rahmen einer Abwägung positiv festzustellen ist. Dabei steht das APR der K dem Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit des B aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG entgegen.

Auf Grund des rein informativen Charakters und der fehlenden Informationen über den Inhalt der Scheidung beurteilt der BGH die Intensität des Eingriffs als gering, sodass die Veröffentlichung rechtmäßig war und K keine Unterlassung verlangen kann. Im Gegensatz zum Wortbericht sind bei der Prüfung des Bildberichts nicht die Verletzung des APR sondern die spezielleren Regeln des KUG ausschlaggebend. Gem. § 22 Abs. 1 KUG darf ein Bild grundsätzlich nicht ohne Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht werden, außer es liegt ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte und damit eine Ausnahme gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vor. Die in § 23 Abs. 1 KUG normierten Ausnahmen sind dabei Duldungspflichten i.S.d. § 1004 Abs. 2 BGB. Während die ältere Rechtsprechung danach differenzierte, wie umfassend die Bekanntheit der betroffenen Person ist, hat der BGH seine Rechtsprechung angepasst und wendet nun ein „abgestuftes Schutzkonzept“ an. Dieses orientiert sich ausschließlich an den gesetzlichen Regelungen. Die auch beim Wortbericht erforderliche Abwägung erfolgt zur Beurteilung der Frage, ob ein Bild aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegt. Allein die Tatsache, dass der Bericht das Privatleben und nicht das öffentlichen Leben der K betrifft, schließt eine Duldungspflicht nicht aus. Die Bilder bieten laut BGH keinen Mehrwert für den Inhalt des Berichtes und zeigen K gleichzeitig in einer familiären Ausnahmesituation, sodass K ein Unterlassungsanspruch bezüglich der Fotos zusteht.


D. In der Prüfung

I. Wortbericht: Anspruch analog § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB

1. Herleitung

2. Wiederholungsgefahr

3. Verletzung des APR

a. Schutzbereich

b. Rechtswidrigkeit

II. Bildbericht: Anspruch analog § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB

1. Wiederholungsgefahr

2. Recht am eigenen Bild, § 22 Abs. 1 KUG

3. Duldungspflicht analog § 1004 Abs. 2 BGB


E. Zur Vertiefung

Brot/Hassel, Der Anspruch auf Geldentschädigung bei Perönlichkeitsrechtsverletzungen, NJW 2020, 2214.

 
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