Entscheidung der Woche 28-2020 (ÖR)

Frederike Hirt
Es ist nicht ersichtlich, dass die Auflage, während einer Versammlung einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, zu einem erheblichen Nachteil der Antragstellerin führen würde.
Aktenzeichen & Fundstelle
Az.: BVerfG, Beschl. v. 26.06.2020 - 1 BvQ 74/20
A. Orientierungssatz
Es ist nicht ersichtlich, dass die Auflage, während einer Versammlung einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, zu einem erheblichen Nachteil der Antragstellerin führen würde.
B. Sachverhalt (verkürzt)
Die Antragstellerin möchte während der Covid-19- Pandemie in Oldenburg im Juni 2020 eine Versammlung abhalten. Die Stadt Oldenburg hat die Durchführung auf Grundlage von § 2 Abs. 4 S. 3 der Corona-Verordnung der Niedersächsischen Landesregierung i.V.m. § 8 Abs. 1 NVersG beschränkt, namentlich die Teilnahmeanzahl begrenzt, Abstandsregelungen und die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung angeordnet. Zudem erhielt der Bescheid eine Anordnung zur sofortigen Vollziehung. Gegen die Mundschutzpflicht sowie die begrenzte Teilnahmeanzahl reichte die Antragstellerin Klage ein und beantragte einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Hinsichtlich des Mundschutzes wurde der Antrag abgelehnt. Sie begehrt nun, dass das BVerfG im Wege der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid auch in Bezug auf die Maskenpflicht wiederherstellt.
C. Anmerkungen
Der einstweilige Rechtsschutz vor dem BVerfG richtet sich nach §32 BVerfGG. Grundsätzlich ist im Rahmen der sogenannten Doppelhypothese eine Folgenabwägung vorzunehmen. Gegenübergestellt werden die Folgen der Fälle, wenn das BVerfG die einstweilige Anordnung erlassen und im Hauptsacheverfahren anders entscheiden würde oder aber die einstweilige Anordnung versagen und im Hauptsacheverfahren stattgeben würde. Das prüft das BVerfG in diesem Fall jedoch nicht. Denn die Folgenabwägung ist nur dann relevant, wenn der Antrag nicht bereits offensichtlich unzulässig oder offensichtlich (un)begründet ist. Im vorliegenden Fall kann die Antragstellerin ihr
Versammlungsrecht aus Art. 8 GG vollständig ausüben, bzgl. der Teilnahmeanzahl hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Alt. 2 VwGO wiederhergestellt. Das Bundesverfassungsgericht geht sogar noch weiter und verneint einen Anordnungsgrund. Nach § 32 BVerfGG muss die Anordnung nämlich zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten sein. Dass ein schwerer Nachteil bspw. in der Unattraktivität der Versammlung bestehen würde, sei bei der zumutbaren Verhaltensregelung eine Maske zu tragen nicht der Fall. Das gilt umso mehr, als dass das Tragen von Masken auch in anderen Bereichen des Alltags Einzug erhalten hat. Anders als üblicherweise vermittelt, kommt es in diesem Fall daher darauf an, nicht vorschnell eine Folgenabwägung vorzunehmen, sondern vorher den Anordnungsgrund und die offensichtliche Unbegründetheit im Rahmen einer summarischen Prüfung festzustellen.
D. In der Prüfung
A. Zulässigkeit
I. Zuständigkeit
II. Statthaftigkeit
III. Antragsberechtigung
IV. Rechtsschutzbedürfnis
V. Form
B. Begründetheit
I. Grds. keine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, Ausnahme: Offensichtlichkeit
II. Anordnungsgrund
E. Vertiefungshinweis
Lantermann, NVwZ 2018, 624.