Entscheidung der Woche 29-2020 (ZR)
Robin Dudda
Eine bei Gefahrübergang bestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in das Schengener Informationssystem (SIS) stellt einen Rechtsmangel i.S.d. § 435 S. 1 BGB dar, für den der Verkäufer grundsätzlich haftet.
Aktenzeichen & Fundstelle
Az.: BGH – VIII ZR 267/17
in: BeckRS 2020, 4703
NJW 2020, 1669
MDR 2020, 559
A. Orientierungssätze
Eine bei Gefahrübergang bestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in das Schengener Informationssystem (SIS) stellt einen Rechtsmangel i.S.d. § 435 S. 1 BGB dar, für den der Verkäufer grundsätzlich haftet. Allein ein bei Gefahrübergang vorliegendes tatsächliches Geschehen, das erst zu einem späteren Zeitpunkt zu einer SIS-Eintragung führt, genügt demgegenüber nicht.
B. Sachverhalt (verkürzt)
Der Kläger erwarb mit Vertrag vom 12. Juli 2011 vom Beklagten einen Audi Q7 zu einem Kaufpreis von EUR 36.250. Am selben Tag wurden der Kaufpreis gezahlt und das Fahrzeug sowie die Zulassungsbescheinigung II, welche den Beklagten als Eigentümer auswies, übergeben. Am 13. März 2013 wurde der Kläger mit diesem Fahrzeug aus der Türkei kommend an der Grenze zu Serbien gestoppt. Das Fahrzeug wurde beschlagnahmt, da dieses in Rumänien als Gegenstand einer Straftat gesucht wurde. Später erfuhr der Kläger, dass das Fahrzeug laut deutscher Polizei außerdem seit dem 22. Mai 2014 im Schengener Informationssystem (SIS) zur Sicherstellung ausgeschrieben war und letztlich an das dort als Besitzer seit 2008 eingetragene Unternehmen in Rumänien herausgegeben wurde. Der Kläger nahm den Beklagten auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Anspruch.
C. Anmerkungen
Die Revision des Beklagten gegen seine Verurteilung hat Erfolg. Nach § 435 S. 1 BGB ist die Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Öffentlich-rechtliche Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen oder Bindungen in Bezug auf die Kaufsache könnten einen solchen Rechtsmangel begründen, soweit sie nicht an deren Beschaffenheit anknüpfen. Eine Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) im Zeitpunkt des Gefahrübergangs könne daher als Rechtsmangel angesehen werden (vgl. BGH, Urt. v. 18. Januar 2017 - VIII ZR 234/15 NJW 2017, 1666 Rn. 14, 22 ff.). Grund hierfür sei der Umstand, dass der Käufer mit der Aufnahme des Fahrzeugs in die SIS Fahndungsliste in der ungestörten Nutzung der Kaufsache und damit in seiner Rechtsposition (§ 903 BGB) konkret beeinträchtigt sei.
Das Urteil des BGH zu einer nach § 111b StPO rechtmäßig durchgeführten Beschlagnahme welche einen Rechtsmangel darstelle (Urt. v. 18. Februar 2004 - VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802 unter II 1; Urt. v. 18. Januar 2017 aaO Rn. 21), lasse sich nicht, wie das Berufungsgericht meinte, für den vorliegenden Fall fruchtbar machen. Denn die Fälle seien deshalb nicht vergleichbar, da in dortigem bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs der Kaufsache eine Diebstahlsanzeige vorlag und strafrechtliche Ermittlungen geführt wurden, woraufhin es kurz nach der Übergabe zu einer Beschlagnahme durch deutsche Strafverfolgungsbehörden kam. Dieses ältere Urteil dahingehend zu verallgemeinern, dass jegliche bei Gefahrübergang vorhandenen Umstände, die zu einem späteren Zeitpunkt zu einer behördlichen Sicherstellung der Kaufsache führten, einen im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestehenden Rechtsmangels i.S.d. § 435 S. 1 BGB darstellten, überzeuge nicht. Denn dies hätte eine weder sachlich gerechtfertigte noch zumutbare Ausdehnung der Haftung des Gebrauchtwagenverkäufers für ein für ihn weder erkennbares noch beherrschbares tatsächliches Geschehen zur Folge.
D. In der Prüfung
A. §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 435 S. 1, 440 BGB
I. Rücktrittsgrund
1. Kaufvertrag
2. Mangel, § 435 S. 1 BGB
a. Eintragung in SIS = Rechtsmangel?
b. bei Gefahrübergang, § 446 S. 1 BGB?
(P) Geschehen ausreichend, welches
später zur Eintragung führt?
II. Zwischenergebnis
B. Ergebnis
E. Zur Vertiefung
BGH - VIII ZR 234/15, in NJW 2017, 1666;
Jerger/ Bühler: Rechte des Käufers eines beschlagnahmten Fahrzeugs, in NJW 2017, 1639.