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Entscheidung der Woche 29-2023 (SR)

Anna Bredemeier

Eine als Wohnstätte voll funktionsfähige Unterkunft behält ihre Eigenschaft als Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB auch nach dem Tod des Bewohners, sofern sie nicht entwidmet wird.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH 25.10.2022 - 4 StR 265/22

in: NStZ 2023, 291

BeckRS 2022, 42168

JuS 2023, 604

 

A. Orientierungs - oder Leitsätze

1. Eine als Wohnstätte voll funktionsfähige Unterkunft behält ihre Eigenschaft als Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB auch nach dem Tod des Bewohners, sofern sie nicht entwidmet wird.

2. In dem Fall eines vollendeten Wohnungseinbruchdiebstahls und eines versuchten schweren Wohnungseinbruchdiebstahls stehen die Delikte zueinander im Verhältnis der Tateinheit.

B. Sachverhalt

Der Angeklagte drang in ein Einfamilienhaus ein, indem er das Küchenfenster mit einem Schraubenzieher aufhebelte, und entwendete verschiedene Gegenstände im Wert von insgesamt mindestens 8.000€. Er hatte dabei die Vorstellung, das - noch vollständig möbilierte und ausgestattete - Haus sei aktuell bewohnt. Tatsächlich war der einzige Bewohner bereits zuvor verstorben.


C. Anmerkungen

I. Zu dem Wohnungseinbruchsdiebstahl

Da eine als Wohnstätte voll funktionsfähige Unterkunft ihre Eigenschaft als Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB auch nach dem Tod des Bewohners behält, sofern sie nicht entwidmet wird, hat sich der Angeklagte insoweit wegen vollendeten Wohnungseinbruchsdiebstahl strafbar gemacht. Hinsichtlich des schweren Wohnungseinbruchsdiebstahls gem. § 244 Abs. 4 StGB fällt ihm hingegen nur ein (untauglicher) Versuch zur Last, da das Haus nach dem Tod des Bewohners nicht mehr tatsächlich bewohnt wurde und damit keine dauerhaft genutzte Privatwohnung im Sinne der Vorschrift war.


II. Zu den Konkurrenzen

Die Rechtsprechung hat bereits entschieden, dass der versuchte Einbruchsdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung gem. §§ 244 Abs. 4, 22, 23 Abs. 1 StGB konkurrenzrechtlich nicht hinter einem vollendeten Einbruchsdiebstahl gem. §§ 242, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB zurücktritt, der handlungseinheitlich an einem anderen Tatobjekt verübt wird. Vielmehr ist zwischen beiden Tatbeständen Tateinheit i.S.d § 52 Abs. 1 StGB anzunehmen, um den Schutz der Privatwohnung durch den Qualifikationstatbestand zum Ausdruck zu bringen. Dies gilt auch für den Fall, in der beide Delikte am selben Objekt begangen werden und in Bezug auf die dauerhafte genutzte Privatwohnung ein untauglicher Versuch vorliegt.

Werden durch dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt, ist von Tateinheit auszugehen. Die Ausnahme von diesem Grundsatz bilden die Fallgruppen der Gesetzeseinheit.

Ob Tateinheit oder Gesetzeseinheit gegeben ist, ist durch eine wertende Auslegung zu ermitteln. Kennzeichen der Gesetzeseinheit ist es, dass die Verletzung des durch den einen Tatbestand geschützten Rechtsguts eine notwendige oder zumindest regelmäßige Erscheinungsform der Verwirklichung des anderen Tatbestands ist. Danach liegt Gesetzeseinheit in Form der hier in Betracht kommenden Spezialität vor, wenn ein Tatbestand alle Tatbestandsmerkmale eines anderen Tatbestands sowie mindestens ein weiteres Merkmal enthält, so dass die Erfüllung des einen - spezielleren - Tatbestands notwendig die Verwirklichung des anderen Tatbestands voraussetzt.

Nach diesen Maßstäben stehen in einem Fall wie dem vorliegenden der (vollendete) Wohnungseinbruchsdiebstahl und der versuchte schwere Wohnungseinbruchsdiebstahls zueinander im Verhältnis der Tateinheit (Idealkonkurrenz). Zwar gilt im Ausgangspunkt, dass der schwere Wohnungseinbruchdiebstahl das gegenüber dem Wohnungseinbruchdiebstahl speziellere Delikt ist, da der Tatbestand des § 244 Abs.4 StGB alle Tatbestandsmerkmale des § 244 Abs. 1 Nr.3 StGB umfasst und als weiteres Merkmal die dauerhaft genutzte Privatwohnung hinzutritt. Dies hat zur Folge, dass § 244 Abs. 4 StGB als speziellerer Tatbestand die lex generalis des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB verdrängt, wenn beide Tatbestände vollständig verwirklicht werden oder beide nur versucht sind. In diesem Fall lautet der Schuldspruch lediglich auf §244 Abs. 4 StGB.

Wird der Grundtatbestand vollendet, während der Qualifikationstatbestand nur ins Versuchsstadium gelangt, ist aus Gründen der Klarstellung regelmäßig Idealkonkurrenz anzunehmen. Andernfalls bliebe die Vollendung des Grunddelikts allein deshalb unberücksichtigt, weil der Täter mit dem Qualifikationstatbestand noch schwereres Unrecht verwirklichen wollte, als er tatsächlich verwirklicht hat. Durch die Annahme von Tateinheit wird dagegen zum Ausdruck gebracht, dass der Täter einerseits den durch das Einbrechen in eine Wohnung qualifizierten Angriff auf das Rechtsgut des Eigentums vollendet und somit den Tatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls gem. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB vollständig verwirklicht, darüber hinaus aber nach seiner Vorstellung von der Tat auch noch unmittelbar zu § 244 Abs. 4 StGB angesetzt hat (§ 22 StGB).


D. In der Prüfung

I. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB

1. Objektiver Tatbestand

a) Grundtatbestand, § 242 Abs. 1 StGB

b) Qualifikation, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB

2. Subjektiver Tatbestand

2. Rechtswidrigkeit

3. Schuld

II. §§ 244 Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB

III. Konkurrenzen


E. Literaturhinweise

Jäger in: SK-StGB, 9. Auflage 2019, § 52 R. 91.

 

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