Entscheidung der Woche 30-2023 (ÖR)
Lenn von Hörsten
Betreibt ein Polizeibeamter außerhalb des Dienstes einen Internetauftritt, in dem er erkennbar als Polizist polizeiliche Themen behandelt, kommt eine Untersagung der Nebentätigkeit durch die Dienstbehörde in Betracht.
Aktenzeichen & Fundstelle
Az.: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.04.2023 – OVG 4 S 4/23
In: BeckRS 2023, 7473
Vorinstanz: VG Berlin, Beschl. v. 24.01.2023 – 36 L 388/22
In: BeckRS 2023, 703
A. Orientierungs - oder Leitsätze
Betreibt ein Polizeibeamter außerhalb des Dienstes einen Internetauftritt, in dem er erkennbar als Polizist polizeiliche Themen behandelt, kommt eine Untersagung der Nebentätigkeit durch die Dienstbehörde in Betracht.
B. Sachverhalt
Der Antragssteller ist Polizeioberkommissar im Dienst des Antragsgegners und begehrt einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 S. 1 2. Fall. Am 13.05.2021 zeigte der Antragsteller dem Antragsgegner an, er betreibe auf der Social-Media-Plattform "TikTok" ein Profil mit Polizeibezug. Nachdem der Antragsgegner am 08.06.2021 die Ausübung dieser Nebentätigkeit zunächst bedenkenlos duldete, folgte gut sechs Monate später, am 14.02.2022, ein Untersagungsbescheid. Dem Antragsgegner sei am 09.02.2022 bekannt geworden, dass der Antragsteller im Rahmen eines Livestreams auf "TikTok" ein Gespräch mit F. geführt habe, welcher Beschuldigter in einem Strafverfahren sei. In dem Stream sei der Antragsteller außerdem als Polizist aufgetreten, habe unter anderem ein T-Shirt mit der Aufschrift "Polizei" getragen. Die beiden Beteiligten hätten sich geduzt und die Atmosphäre sei vertraulich gewesen.
Ferner hätten Zuschauer den Livestream wie folgt kommentiert: "Polizist chillt mit Kriminellen, Willkommen in Deutschland", "Sehe ich das richtig, ein Polizist und F. im Live zusammen". Der Antragsteller dementierte hingegen, dass er als offizieller Beamter der Polizei G. aufgetreten sei. Im Folgenden wurden am 15.06.2022 neben der Tätigkeit auf "TikTok" gleichermaßen auch Anträge bezüglich weiteren Tätigwerdens auf den Plattformen "Twitch" und "YouTube" versagt. Ein erster Eilrechtsantrag wurde am 24.01.2023 vor dem VG Berlin zurückgewiesen. Der Antragsteller legte Beschwerde ein.
C. Anmerkungen
Auch die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. In der Vorinstanz war die Rechtmäßigkeit der Untersagungen entscheidend. Streitig war u.a. die Frage, ob es sich bei der Tätigkeit des Antragstellers um eine Nebentätigkeit i.S.d. Landesbeamtengesetzes (LBG) handelt, inwiefern das Handeln des Polizisten dienstliche Interessen gefährdet und ob dieser auch tatsächlich als Beamter erkennbar war. Bei einer Nebentätigkeit i.S.d. LBG handelt es sich um eine auf Dauer angelegte Tätigkeit, die typischerweise auf Erwerb gerichtet oder wirtschaftlich bedeutsam ist oder den Beamten erheblich in Anspruch nimmt. Zwar beginne die Arbeit als "Streamer" und "Content Creator" regelmäßig als Hobby, jedoch gab der Antragsteller selbst an, Einnahmen aus einem Kreativfonds der Pattform "TikTok" zu generieren. Daneben war der Tätigkeit zunächst ein künstlerischer Charakter zugeordnet worden und diese damit nur auf Basis des § 63 Abs. 5 LBG zu untersagen.
Eine laut dieses Abs. 5 geforderte Verletzung einer dienstlichen Pflicht war in dem dargestellten Livestream mit dem Beschuldigten F. auf "TikTok" zu sehen. Laut § 34 Abs. 1 S. 3 BeamtStG und § 101 LBG muss das Verhalten eines Polizisten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, das sein Beruf erfordert; er muss sich mithin rückhaltlos für den Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung einsetzen. Dieser Treuepflicht widerspricht jedweder private Kontakt mit Beschuldigten eines laufenden Strafverfahrens. Auch der Umstand, dass die Nebentätigkeit aufgrund einer gewerberechtlichen Anzeige des Antragstellers nach § 14 GewO nunmehr nach Maßstab des § 62 Abs. 2 S. 2 LBG und nicht des § 63 Abs. 5 LBG zu untersagen war, änderte daran nichts. Gem. § 62 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 6 LBG, darf die Tätigkeit den Beamten weder in Widerstreit mit dienstlichen Interessen bringen, ihn in seiner Unbefangenheit beeinflussen oder dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich sein. Das freundschaftliche "Interview" mit F. machte die Annahme einer Beeinträchtigung dieser Interessen unbestreitbar. Gleiches gilt für die Nebentätigkeiten auf "Twitch" und "Youtube". Schlussendlich überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse des Antragsgegners dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
Das OVG Berlin-Brandenburg gab der Vorinstanz in allen Punkten recht. Insbesondere befand es eine nachträgliche Beschwerdeerweiterung des Antragstellers hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Untersagung der Nebentätigkeiten auf "Twitch" und "Youtube" für unzulässig¸ § 146 Abs. 4 VwGO. Die niedersächsischen Parallelvorschriften finden sich in den §§ 70, 72 und 73 NBG.
D. In der Prüfung
Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, § 80 Abs. 5 S. 1 2. Fall VwGO
A. Zulässigkeit
B. Begründetheit
1. Rechtm. der behördlichen Anordnung der sof. Vollziehbarkeit
2. Erfolgsaussichten in der Hauptsache
a) Rechtm. der Untersagung bzgl. "TikTok" nach § 63 Abs. 5 LBG
b) Rechtm. nach § 62 Abs. 2 LBG
c) Rechtm. der Untersagung bzgl. "Twitch" und "YouTube"
3. Materielle Interessenabwägung
E. Literaturhinweise
MMR 2023, 389: VG Berlin: Polizist darf nach Clan-Interview nicht mehr bei TikTok auftreten.