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Entscheidung der Woche 31-2025 (ÖR)

Jonas Rahn

Der BRD obliegt ein allgemeiner Schutzauftrag, dahingehend, dass der Schutz grundlegender Menschenrechte und Kernnormen des humanitären Völkerrechts auch bei Sachverhalten mit Auslandsbemühung gewahrt bleibt.

Aktenzeichen und Fundstelle

Az.: 2 BvR 508/21

in: BeckRS 2025, 16587

A. Orientierung- oder Leitsätze

1. Der BRD obliegt ein allgemeiner Schutzauftrag, dahingehend, dass der Schutz grundlegender Menschenrechte und Kernnormen des humanitären Völkerrechts auch bei Sachverhalten mit Auslandsbemühung gewahrt bleibt.

2. Dieser Schutzauftrag kann sich unter bestimmten Bedingungen zu konkreten grundrechtlichen Pflichten verdichten.

a) Eine solche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG bezieht sich auf Einhaltung des anwendbaren Völkerrechts zum Schutz des Lebens, auch bei Gefährdungen die von einem anderen Staat ausgehen.

b) Eine Eingrenzung dieser verfassungsrechtlichen Schutzpflicht sieht die Verfassung, sofern ein hinreichender Bezug zur deutschen Staatsgewalt besteht, nicht vor.

c) Erforderlich für eine Verdichtung zu einer extraterritorialen Schutzpflicht, ist eine ernsthafte Gefahr, dass dem Schutz des Lebens dienende Regeln des humanitären Völkerrechts und/ oder der internationalen Menschenrecht systematisch verletzt werden.


B. Sachverhalt

Die Beschwerdeführer sind jemenitische Staatsangehörige, deren nahe Verwandte bei einem US-Drohnenangriff im August 2012 gemeinsam mit mutmaßlichen Mitgliedern der Al-Quaida getötet wurden. 2014 klagten die Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht Köln darauf, die Bundesrepublik Deutschland zu verurteilen, Einsätze bewaffneter Drohnen von deutschen Boden durch die USA auf dem Gebiet des Jemen durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden.


C. Anmerkungen

Die Klage wurde vom Verwaltungsgericht Köln abgewiesen. Im Berufungsverfahren vor dem OVG Köln hatten sie teilweise Erfolg: Die BRD wurde verurteilt Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten, dass Drohneneinsätze nur im Einklang mit dem Völkerrecht stattfänden. Nach einer Revision der BRD vor dem BVerwG, wurde das Urteil derart geändert, dass die Berufung vor dem OVG zurückgewiesen wurde und eine Schutzpflicht nicht festgestellt werden konnte. Die Zusicherung der USA gegenüber der BRD, keine unbemannten Luftfahrzeuge für Antiterroreinsätze von Ramstein aus zu starten und deutsches Recht zu achten seinen nicht völlig unzulänglich. Die Verfassungsbeschwerde sei zwar zulässig, aber unbegründet. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gewähre nicht nur ein subjektives Abwehrrecht, sondern begründe auch staatliche Schutzpflichten. Dieses stehen auch im Ausland lebenden Ausländern, insofern ein hinreichender Bezug zur deutschen Staatsgewalt gegeben sei, zu. Dies folge aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 GG. Jedoch sei die Sicherstellung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit der BRD und ihrer Teilhabe an der internationalen Zusammenarbeit dem Grundgesetz als Ziel immanent. Bei der Bündnisfähigkeit handele es sich um ein Verfassungsgut, das bei der Konkretisierung extraterritorialer Schutzpflichten zu berücksichtigen sei. Deshalb müssen sichere Anhaltspunkte vorliegen, dass es sich bei den Brüchen des Völkerrechts sowie der Menschenrechte nicht um bloße Einzelfälle handele. Dabei sind die Rechtsauffassung der deutschen Staatsorgane genauso zu berücksichtigen, wie die verminderten Schutzmöglichkeiten der BRD aufgrund der völkerrechtlichen Grenzen deutscher Hoheitsgewalt. So wurde festgestellt, dass die bloße technische Herstellung einer Daten- und Kommunikationsverbindung zwischen der Drohne und den Führungseinrichtungen der USA in der Gesamtschau nur von untergeordnetem Gewicht sei. Außerdem sei die Rechtsauffassung der USA für die Abgrenzung zwischen zivilen und militärischen Zielen im Jemen nicht völkerrechtlich unvertretbar. Somit fehle es an einer konkreten, die Schutzpflicht begründenden Gefahr. Dementsprechend seien bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für das Bestehen einer extraterritorialen Schutzpflicht nicht erfüllt, weshalb es keiner Entscheidung bedürfe, ob die BRD einer ihr etwaig obliegenden Schutzpflicht gegenüber den Beschwerdeführern gerecht geworden wäre.


D. In der Prüfung

A. Zulässigkeit

B. Begründetheit

I. Schutzbereich

1. persönlicher Schutzbereich

(P): Schutz von im Ausland lebenden Ausländern durch das GG


E. Literaturhinweise

BVerfG, Urt. v. 15.7.2025 – 2 BvR 508/21 (m. Anm. Maximilian Amo), becklink 2034931, 15.7.2025, BVerwG, Urt. v. 24.5.2021 - NVwZ 2021, 800, Payandeh/Sauer, Staatliche Gewährleistungsverantwortung für den Schutz der Grundrechte und des Völkerrechts, NJW 2021, 1570


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