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Entscheidung der Woche 32-2018 (ZR)

Moritz Stamme

Bei vorsätzlichen schweren Gewaltverbrechen, wie einem Amoklauf, bei dem typischerweise Angst und Schrecken verbreitet werden sollen, ist nach wertender Abwägung kein Grund ersichtlich, einen unmittelbar beteiligten Polizeibeamten von der Zurechnung auszunehmen der psychischen (Spät-)Folgen auszunehmen.

Wo?

Az.: BGH Urt. v. 17.04.2018 – VI ZR 237/17

in: MDR 2018, 933 VersR 2018, 829

 

Was?

BGH, Urteil vom 17.04.2018

Im vorliegenden Fall hatte der BGH zu entscheiden, ob die psychische Gesundheitsverletzung eines Polizeibeamten, welche infolge eines durch einen Amoklauf ausgelösten Einsatzes eingetreten ist, dem Amokläufe zugerechnet werden kann und sich daraus eine deliktische Haftung ergeben kann.

Die Kernfrage der Entscheidung bestand darin, ob der Zurechnung entgegensteht, dass die Gesundheitsverletzung durch ein berufsspezifisches Risiko des Polizeibeamten verwirklicht wurde.

Im gutachterlichen Aufbau ist dieser Punkt im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB unter der haftungsausfüllenden Kausalität zu prüfen. Der BGH implementiert aber die Frage nach dem Schutzzweck der Norm schon in die Prüfung der adä-quaten Kausalität.


Warum?

Im Ergebnis nimmt der BGH einen solchen Zurechnungszusammenhang an und spricht dem Polizeibeamten einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu.

Ein Polizeibeamter ist zwar in der Ausbildung auf derartige Belastungssituation vorbereitet worden, dennoch kann eine psychische Gesundheitsverletzung nicht allein seiner Sphäre zuzurechnen sein. Es wäre nicht zu rechtfertigen, dem Amokläufer, den ein hohes Maß von Aggressivität ausmacht, das Haftungsrisiko abzunehmen.

Jedenfalls ist also bei vorsätzlichen schweren Gewaltverbrechen, wie einem Amoklauf, bei dem typischerweise Angst und Schrecken verbreitet werden sollen, nach wertender Abwägung kein Grund ersichtlich, einen unmittelbar beteiligten Polizeibeamten von der Zurechnung auszunehmen.

Diese Entscheidung ist besonders prüfungsrelevant, da sie sich problemlos in Zivilrechtsklausuren einbauen lässt und vertiefte Kenntnisse in der deliktsrechtlichen Haftung voraussetzt. Berührungspunkte hat das Urteil auch mit den relativ neuen Regelungen zum Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB.


Vertiefung

JuS 2018, 744;

Lehrbücher zum Deliktsrecht un-ter dem Stichwort „Schockscha-den“ anfangen;

Wiederholung der Prüfung des § 823 Abs. 1 BGB und der deliktsrechtlichen Zurechnungsdogmatik, insbesondere der haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität;

Dabei auch den Klassiker der Schockschäden beachten.

 
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