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Entscheidung der Woche 33-2022 (SR)

Celina Weddige

Ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, kann durch eine Brandlegung auch dann teilweise zerstört werden, wenn die betroffene Wohnung bereits wegen einer vorangegangenen Brandstiftung nicht nutzbar war.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH 3 StR 247/21

in: BeckRS 2021, 28362

NJW 2021, 3205

NStZ 2022, 168

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Ein Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient, kann durch eine Brandlegung auch dann teilweise zerstört werden, wenn die betroffene Wohnung bereits wegen einer vorangegangenen Brandstiftung nicht nutzbar war.


B. Sachverhalt

Im September 2020 verbrannte A Fotos in seiner Wohnung. Diese verbrannte er in einem Plastikeimer, wobei das Feuer auf den Eimer überging. Löschversuche brachten keinen Erfolg, daher verließ A seine Wohnung. Es entwickelte sich Hitze und Rauch, sodass unter anderem Elektroleitungen in der Wand, Laminatboden und die Küchenzeile der Wohnung zerstört wurden. Daraufhin wurde die Wohnung für unbewohnbar erklärt. Zudem erteilte das Bauordnungsamt eine Nutzungsuntersagung für die weiteren Wohnungen des Gebäudes. Im Oktober suchte A seine Wohnung wieder auf und wollte Suizid begehen, weshalb er die Wohnung in Brand setzte. Hierfür verwendete er Textilien, welche er im Badezimmer anzündete. Die Badezimmertür und Türzagen gerieten in Brand. Auch die Wände und Decken der Wohnung erlitten durch den Ruß und Rauch Schäden. Dadurch war die Wohnung erneut unbewohnbar.

Hat sich A wegen schwerer Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht, indem er in seiner Suizidabsicht die Wohnung erneut in Brand setzte?


C. Anmerkungen

Der BGH bestätigte mit seiner vorliegenden Entscheidung die Verurteilung des A wegen schwerer Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB durch das Landgericht Krefeld hinsichtlich des zweiten Brandgeschehens. Fraglich war dabei, ob eine Wohnung durch eine wiederholte Brandlegung teilweise zerstört werden kann, obwohl sie bereits wegen einer vorherigen Brandstiftung unbewohnbar und damit nicht nutzbar war.

Ein teilweises Zerstören bei einer Brandstiftung i.S.d. § 306a Abs. 1 Alt. 2 StGB liegt bei einem Mehrfamilienhaus grundsätzlich vor, wenn ein zum selbstständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist. Dabei sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Der BGH stellte fest, dass eine weitere Zerstörung der Wohnung und des gesamten Gebäudes auch dann noch möglich sei, wenn die Wohnung schon vorher durch einen Brand unbrauchbar war. Der Gesetzgeber habe mit der Tatbestandserweiterung des § 306 Abs. 1 StGB durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts und dem dabei verfolgten Anliegen, erheblichen Menschengefährdungen und hohe Sachschäden ebenso zu begegnen wie bei Brandstiftungen herkömmlicher Art, die brandbedingte Einwirkung auf die Sachsubstanz des Wohnobjekts im Blick gehabt, nicht dagegen allein ein Hervorrufen der Unbenutzbarkeit. Letztere sei vielmehr insofern relevant, als anhand des Einzelfalls festzustellen sei, ob diese Unbrauchbarkeit Beeinträchtigungen von solchem Gewicht begründe, dass ein teilweises Zerstören des Gebäudes vorliegt. Eine längere Dauer der Unbrauchbarkeit sei dabei nicht zwingend erforderlich. Außerdem diene § 306a Abs. 1 StGB gerade zur Erfassung abstrakter Gefahren für Leib und Leben von Menschen, die sich aus der teilweisen Zerstörung von Wohngebäuden durch Brandlegung ergeben. Dieses Gefährdungspotential bestehe sowohl für Rettungskräfte als auch für sonstige Hausbewohner unabhängig von einer vorherigen Unbrauchbarkeit der Wohnung. Eine enge Auslegung, nach der eine nochmalige teilweise Zerstörung eines Wohngebäudes nicht möglich sei, ergebe sich damit weder aus dem Wortlaut des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB noch aus dem Sinn und Zweck der Norm.

Demnach stellte die bereits unbrauchbare Wohnung ein taugliches Tatobjekt i.S.d. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB dar. Die Nutzbarkeit der Wohnung wurde in weiteren Bestandteilen der Wohnung beeinträchtigt, die zuvor noch nicht betroffen waren, wie beispielsweise die Badezimmertür und weitere Decken. Damit lag eine weitergehende Beeinträchtigung der Sachsubstanz vor, die eigenständig als teilweise Zerstörung des Gebäudes zu werten war.

Somit hat sich A wegen schwerer Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.


D. In der Prüfung

§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Tatobjekt: ein Gebäude

(P) Ist die Wohnung noch taugliches Tatobjekt?

b) Durch Brandlegung teilweise zerstört, § 306a Abs. 1 Alt. 2

c) Kausalität

d) Objektive Zurechnung

II. Subjektiver Tatbestand

III. Rechtswidrigkeit und Schuld


E. Literaturhinweise

Beukelmann/Heim, Inbrandsetzen einer vorbeschädigten Wohnung, NJW Spezial 2021, 664;

zum Tatbestandsmerkmal der teilweisen Zerstörung eines Gebäudes: Heine/Boschin: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019, § 306 Rn. 15ff.

 

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