Entscheidung der Woche 34-2023 (ZR)
Nedime Bagarkasi
Beim Autokauf stellt das subjektiv „unangenehme“ Empfinden des Käufers von dem Verhalten des Fahrzeugs bei einer sog. Gefahrenbremsung keinen Sachmangel der Kaufsache dar, wenn...
Aktenzeichen & Fundstelle
Az.: OLG Zweibrücken - 4 U 187/21
in: BeckRS 2022, 44785
LSK 2022, 44785
RÜ 2023, 480
Vorinstanz: LG Kaiserslautern - 4 O 945/19
A. Orientierungs - oder Leitsätze
Beim Autokauf stellt das subjektiv „unangenehme“ Empfinden des Käufers von dem Verhalten des Fahrzeugs bei einer sog. Gefahrenbremsung keinen Sachmangel der Kaufsache dar, wenn die darin verbauten Assistenzsysteme technisch ordnungsgemäß arbeiten und das Fahrzeug tatsächlich kurs- und bremsstabil halten.
B. Sachverhalt
Der Kläger (K) begehrt von der Beklagten (B) die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises i.H.v. 21.470,00 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Kraftfahrzeugs. K erwarb bei der B einen neuen PkW zum Kaufpreis von 21.470,00 €. Bei der Nutzung des Fahrzeuges hatte K jedoch das Gefühl, dass an der Bremsanlage schwerwiegende Probleme bestehen. Grund hierfür war, dass K den Eindruck gewonnen hatte, dass bei starkem Abbremsen das Fahrzeugs derart stark nach rechts verzieht, dass es entweder zu einem unkontrollierten Fahrbahnwechsel kommt oder die Gefahr besteht,von der Fahrbahn abzukommen. Auch bei einem leichten Abbremsen vernahm K ein leichten „Schlenker“ nach rechts. Daher forderte K die B auf den Mangel zu beseitigen.
Nach Überprüfung des Pkw konnte B jedoch keine Mängel feststellen, sodass der Kläger das Fahrzeug im ursprünglichen Zustand zurückerhielt. Mit Schreiben vom 12.11.2019 erklärte K gegenüber B wegen der Nichtbehebung des beanstandeten Problems den Rücktritt vom Kaufvertrag. B war zur Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises nicht bereit, da dieser bei der Überprüfung des Fahrzeugs keine Mängel feststellen konnte. In erster Instanz vor dem Landgericht Kaiserslautern blieb der Kläger K erfolglos. Hiernach legte K Berufung vor dem Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken ein.
C. Anmerkungen
Das OLG hat einen Anspruch des Klägers auf Rückabwicklung des Vertrages gem. §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB sowie den hilfsweise begehrten Anspruch auf Nacherfüllung gem. §§ 433, 434, 437 Nr. 1, 439 BGB verneint. Grund hierfür ist, dass bereits kein Sachmangel iSd § 434 BGB a.F. vorliegt. Als möglicher Sachmangel kommt lediglich eine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB a.F. in Betracht. Ob eine Sache der üblichen Beschaffenheit entspricht, ist danach zu beurteilen, ob sich die Sache für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. Die Beurteilung dessen hat aus derSicht eines objektiven Durchschnittskäufers zu erfolgen.
So führt das OLG hierzu aus, dass ein Pkw sich für die gewöhnliche Verwendung grundsätzlich dann eignet, wenn das Fahrzeug keine technischen Mängel zeige, die die Zulassung zum Straßenverkehr verhindern oder auch die Gebrauchsfähigkeit aufheben oder beeinträchtigen könnten. Im Rahmen der Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, stellt das OLG klar, dass das Kraftfahrzeug während des Bremsvorgangs bremsstabil bleiben müsse. Beim Bremsen habe sich das Fahrzeug demnach spurneutral zu verhalten, sodass ein Ausweichen nach links oder nach rechts nicht bestehen dürfe. Bei durchgeführten Probefahrten waren am Fahrzeug des Klägers zunächst keine Mängel feststellbar. Der Sachverständiger stellte jedoch auch klar, dass das Heck des Fahrzeugs zum Übersteuern neige. Dieses Phänomen des Übersteuerns sei für den Insassen deutlich wahrnehmbar. Es erzeuge beim Fahrer jedoch zunächst nur den Eindruck bzw. das unangenehme Gefühl eines unkontrollierten Schleudervorgangs. Das Fahrzeug selber verfüge nämlich über einen eingebauten und ausreichenden Sicherheitsmechanismus, der das Übersteuern kompensiere und somit das Fahrzeug stabilisiere und einen Schleudervorgang verhindere. Das OLG erklärt hierzu, dass dieses wahrnehmbare und unangenehme Gefühlfür einen Sachmangel i.S.d. § 434 a.F. nicht ausreiche. Die subjektiven Erwartungen des Klägers seien hier nicht entscheidend.
Entscheidend sei vielmehr, dass am Fahrzeug des Klägers keine Sicherheitsmängel auftraten und auch die verbauten Assistenzsysteme zuverlässig reagierten, sodass eine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit nicht vorliege. Das Problem des Übersteuerns trete dabei auch nur im Rahmen einer Gefahrenbremsung ein, die jedoch selber nur selten zur Anwendung komme und damit nicht mit einem alltäglichen Fahrverhalten einhergehe. Mithin gehöre es auch nicht zur üblichen Beschaffenheit eines PKW, dass auch in solchen Ausnahmesituationen ein angenehmes Fahrgefühl des Fahrers gewährleistet werde. So berechtigt ein rein als unangenehm empfundenes Fahrgefühl bei erfolgter Gefahrenbremsung den Käufer eines PKW nicht dazu vom Vertrag zurückzutreten.
D. In der Prüfung
Anspruch aus §§ 437 Nr. 2, 323 I, 346 I BGB
I. Kaufvertrag
II. Sachmangel bei Gefahrübergang (P)
III. Angemessene Fristsetzung zur Nacherfüllung
(Beachte: Mögliche Entbehrlichkeit § 323 II, 440)
IV. Kein Ausschluss des Rücktritts nach § 323 V oder § 323 VI
V. Rücktrittserklärung, § 349
VI. Rechtsfolge, § 346
E. Literaturhinweise
RÜ 2023, 480 (m. Anm. Jannina Schäfer & mit Anwednung des § 434 n.F.);
NJ 2022, 14 Deutschmann: Der neue Sachmangelbegriff des § 434 BGB n.F.