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Entscheidung der Woche 35-2019 (SR)

Simon Künnen

Die (konkludent) erteilte Einwilligung in die Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB der Teilnehmer eines Boxkampfes erstreckt sich lediglich auf solche Verletzungen des Gegners, welche bei regelkonformen Verhalten zu erwarten und üblich sind.

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: OLG Köln 2 Ws 122/19

in: BeckRS 2019, 5525

FFD-StrafR 2019, 417323

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

1. Die (konkludent) erteilte Einwilligung in die Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB der Teilnehmer eines Boxkampfes erstreckt sich lediglich auf solche Verletzungen des Gegners, welche bei regelkonformen Verhalten zu erwarten und üblich sind. Doping als schwere Missachtung der anerkannten Sport- und Wettkampfregeln, die der Gegner nicht zu erwarten braucht, kann einer wirksamen Einwilligung entgegenstehen.

2. Bei den in einem Boxkampf eingesetzten Boxhandschuhen handelt es sich um bestimmungsgemäß in Einsatz gebrachte Sportgeräte und daher nicht um gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB (Leitsätze der Redaktion).


B. Sachverhalt

A bestritt 2016 einen von der World Boxing Association organisierten Boxkampf gegen B. Bei diesem Boxkampf schlug A den B mehrfach mit üblichen Boxhandschuhen, wodurch dieser Schmerzen und Hämatome erlitt. Bei einer anschließend entnommenen Urinprobe wurden bei A verbotene Dopingsubstanzen festgestellt. A nahm diese ein, um bei seinen Schlägen gegen B eine höhere Maximalkraft und Schlaggeschwindigkeit zu erlangen. Ihm war dabei bewusst, dass es sich bei den Substanzen um verbotene Dopingmittel handelte.


C. Anmerkungen

In seinem Urteil vom 04.04.2019 stellte das Oberlandesgericht Köln fest, dass eine gewohnheitsrechtlich anerkannte rechtfertigende Einwilligung des Gegners in die Körperverletzung gem. 223 Abs. 1 StGB im Rahmen eines sportlichen Boxwettkampfes zwar grundsätzlich möglich ist, der Einwilligende jedoch – der Willenserklärung inhärent – Wesen, Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung erfassen muss. Tut er dies nicht, unterliegt er einem der rechtfertigenden Einwilligung entgegenstehenden Irrtum. Eine konkludent erteilte Einwilligung des Boxers kann sich daher auch nur auf solche Verletzungen beziehen, welche der Einwilligende erwarten kann. Der Erwartungshorizont wird dabei durch die anerkannten Sport- und Wettkampfregeln konkretisiert. Ein Doping des Gegners stellt dabei eine grobe Missachtung dieser Wettkampfregeln dar und muss nicht durch den Einwilligenden erwartet werden. Insoweit unterliegt er bei der Einwilligung einem Irrtum, welcher der Wirksamkeit der rechtfertigenden Einwilligung entgegensteht.

Zugleich verneinte der Senat bei dem Einsatz von Boxhandschuhen die Begehung mittels eines gefährlichen Werkzeugs gem. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB. Bei ihnen handele es sich um bestimmungsgemäß in Einsatz gebrachte Sportgeräte und nicht um ein gefährliches Werkzeug. Im Gegensatz zu einem solchen seien sie nicht gefahrerhöhend, sondern viel mehr dazu bestimmt, die Schläge abzumildern.

Auch wenn das OLG Köln in seinem Urteil lediglich auf die rechtfertigende Einwilligung einging, gilt es in einer Klausur i.R.d. objektiven Zurechnung ebenfalls zu diskutieren, ob diese durch Sozialadäquanz, Verwirklichung eines erlaubten Risikos oder einverständlicher Fremdgefährdung entfallen könnte. Im Ergebnis kann dies jedoch mit gleicher Argumentation abgelehnt werden. B war gedoped und bewegte sich daher schon nicht im Rahmen des Erlaubten.


D. In der Prüfung

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a. Grundtatbestand, § 223 Abs. 1

Objektive Zurechenbarkeit (!)

b. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 (!)

2. Subjektiver Tatbestand

II. Rechtswidrigkeit

Rechtfertigende Einwilligung (!)


E. Zur Vertiefung

Basiswissen zur Einwilligung: Amelung/Eymann, JuS 2001, 937;

Fallbearbeitung und Erläuterung: Schneider, RÜ 08/2019, 505.

 
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