top of page

Entscheidung der Woche 36-2021 (ZR)

Jolanda Fiss

Eine Austauschbarkeit von Kaufgegenstand und Ersatzsache beim Verbrauchsgüterkauf – vor allem beim Kauf von Fahrzeugen, die bereits nach kurzer Zeit einen deutlichen Wertverlust erleiden – ist grundsätzlich nur dann anzunehmen...

Aktenzeichen & Fundstelle

Az.: BGH VIII ZR 254/20

in: ZIP 2021, 1706

WM 2021, 1716

 

A. Orientierungs- oder Leitsatz

Eine Austauschbarkeit von Kaufgegenstand und Ersatzsache beim Verbrauchsgüterkauf – vor allem beim Kauf von Fahrzeugen, die bereits nach kurzer Zeit einen deutlichen Wertverlust erleiden – ist grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn der Verbraucher sein Nachlieferungsbegehren innerhalb eines in der Länge der regelmäßigen kaufrechtlichen Verjährungsfrist (zwei Jahre – § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB) angelehnten Zeitraums geltend macht.


B. Sachverhalt

Dieses Fahrzeug war mit der manipulierten Software ausgestattet, welche den Prüfstandlauf erkennt und in diesem Fall über eine entsprechende Programmierung den Ausstoß an Stickoxiden verringert. Nach Bekanntwerden dessen rügte der Kläger die Mangelhaftigkeit des Pkw bei der Händlerin, woraufhin diese im Oktober 2016 auf ein Software-Update hinwies, welches die Mangelhaftigkeit beseitigen könne. Der Kläger wies die Nacherfüllung durch das Aufspielen des neuen Updates ab und forderte stattdessen die Nachlieferung eines fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeugs, wobei das ursprünglich erworbene Modell nicht mehr hergestellt wird, sodass die Lieferung des Nachfolgemodells begehrt wurde.

Die Händlerin kam diesem Begehren nicht nach.


C. Anmerkungen

Gem. § 439 Abs. 1 BGB kann der Käufer nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer neuen Sache verlangen.

Das seitens des Klägers im Jahr 2009 erworbene Modell des VW Tiguan wird seit dem Jahr 2013 nicht mehr hergestellt, sodass eine Neulieferung dessen nach § 275 Abs. 1 BGB objektiv unmöglich ist und damit ausscheidet. Es stellt sich jedoch die Frage, ob an die Stelle des ursprünglichen VW Tiguan das Nachfolgemodell getreten ist und dieses nunmehr im Wege der Nacherfüllung gefordert werden kann. Die Nachlieferungspflicht ist nicht auf die identische Sache beschränkt, sondern bestimmt sich nach der übernommenen Beschaffungspflicht, welche über die ursprüngliche Leistungspflicht hinausgehen kann, sofern die Sache nach dem Parteiwillen als gleichwertig und gleichartig anzusehen ist.

Entscheidend ist, ob und in welchem Umfang der Verkäufer bei Vertragsschluss eine Beschaffungspflicht für den Fall der Nacherfüllung übernommen hat. Für eine über den ursprünglich geschuldeten Gegenstand hinausgehende Pflicht spricht der Vorrang der Nacherfüllung und das wirtschaftliche Interesse des Verkäufers, eine Rückabwicklung zu vermeiden. Hierfür ist ferner das im Rahmen von Verbrauchsgüterkäufen hoch anzulegende Verbraucherschutzniveau anzuführen. Die Nachlieferungspflicht des Nachfolgemodells kann nicht unbeschränkt gelten, weil zumindest bei Verbrauchern eine Nutzungsentschädigung entfällt nach § 475 Abs. 3 BGB und gerade Pkw schnell an Wert verlieren. Sachgerecht erscheint es daher, die Austauschbarkeit des Kaufgegenstandes nur innerhalb der kaufrechtlichen Verjährungsfrist anzunehmen. Folglich war die Geltendmachung eines Nacherfüllungsverlangens in Form der Neulieferung in Bezug auf die Neulieferung eines Nachfolgemodells sieben Jahre nach Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr möglich nach § 439 Abs. 1 BGB.


D. In der Prüfung

Anspruch auf Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB

I. Anspruch entstanden

1. Wirksamer KV

2. Sachmangel bei Gefahrübergang

3. Nacherfüllungsverlagen

4. Kein Ausschluss

II. AS erloschen

(P) Ursprüngliches Modell nicht mehr auf dem Markt


E. Zur Vertiefung

Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 18/2021 Anm. 1;

Zur Unmöglichkeit der Nacherfüllung s. Berger, in: Jauernig BGB, 18. Aufl. 2021, § 439 Rn. 21 ff.

 
Entscheidung-der-Woche-36-2021
.pdf
Download PDF • 757KB

bottom of page