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Entscheidung der Woche 36-2023 (ÖR)

Raja Mudrak

Bei dem 8. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts wird gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 VwGO angefragt, ob er an seiner Rechtsauffassung festhält, dass eine belastende Nebenbestimmung, die einem begünstigenden Verwaltungsakt beigefügt wird,...

Aktenzeichen & Fundstelle

Az: : BVerwG 4 C 4.20

in: NVwZ 2022, 1798

 

A. Orientierungs- oder Leitsätze

Bei dem 8. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts wird gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 VwGO angefragt, ob er an seiner Rechtsauffassung festhält, dass eine belastende Nebenbestimmung, die einem begünstigenden Verwaltungsakt beigefügt wird, im Anfechtungsprozess nur dann isoliert aufgehoben werden darf, wenn der verbleibende Verwaltungsakt für sich genommen rechtmäßig ist.


B. Sachverhalt

K möchte auf seinem Grundstück, welches in direkter Nähe zur Bundesautobahn A3 liegt, eine mobile Gastankstelle betreiben. Jedoch liegt diese nach § 9 I Nr. 1 FStrG durch die Autobahnnähe innerhalb der Bauverbotszone. Trotzdem erteilte der zuständige Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen K eine auf ein Jahr befristete Ausnahme von dem Bauverbot nach § 9 VIII FStrG sowie eine befristete Baugenehmigung für die mobile Gastankstelle. Wenig später erteilt sie K sogar eine unbefristete Bauverbotsausnahme. Allerdings sorgt K sich um die ungewisse Zukunft seiner Gastankstelle und möchte dies nicht auf sich sitzen lassen, weshalb er eine unbefristete Baugenehmigung anstrebt. Nach Durchführung des Vorverfahrens erhebt K form- und fristgerecht vor dem Verwaltungsgericht Klage gegen die Befristung der Baugenehmigung.

Daraufhin führt die Behörde aus, dass K gar keinen Anspruch auf eine unbefristete Baugenehmigung habe: Die Ausnahmegenehmigung sei nur befristet, sodass mit dessen Ablauf die Erteilung einer Baugenehmigung auch wieder gegen § 9 I Nr. 1 FStrG verstieße. Daher wäre der Hauptverwaltungsakt ohne Befristung absehbar rechtswidrig. Deshalb könne die Befristung könne auch nicht in seine Rechte eingreifen. Ohnehin sei schon zweifelhaft, ob ein korrekter Bauantrag vorliege, sodass die Baugenehmigung auch ganz grundsätzlich versagt werden müsste. Dagegen wendet K ein, dass der Landesbetrieb sich nur ein Prüfungsrecht vorbehalten wollte, um nach Fristablauf die Genehmigungsvoraussetzungen erneut überprüfen zu können. Dies sei kein legitimes Interesse, wenn die Gastankstelle doch bereits alle Voraussetzungen erfülle. Zudem ginge es ihm ausweislich seines Klageantrags explizit nur um die Aufhebung der Nebenbestimmung und nicht die Frage eines richtigen Bauantrags. Hat die Klage des K Erfolg?

Bearbeiterhinweis: Der Sachverhalt ist gekürzt und abgewandelt.


C. Anmerkungen

Nach der Rechtsprechung des BVerwG sind Befristungen isoliert anfechtbar. Im Zuge der Begründetheit kommt es darauf an, ob die Nebenbestimmung an sich rechtswidrig ist und ob der Haupt-VA ohne die Nebenbestimmung sinnvoll und rechtmäßig bestehen bleibt. Letzteres betrifft die materielle Teilbarkeit von Nebenbestimmung und Verwaltungsakt. Maßgeblich ist, ob zwischen der Nebenbestimmung und dem eigentlichen Inhalt des VA ein Zusammenhang besteht, der die isolierte Aufhebung ausschließt. In der bisherigen Rechtsprechung ist diese Prüfung sehr eng ausgefallen, sodass sich diese darauf beschränkte, ob der Haupt-VA, wenn die belastende Nebenbestimmung wegfällt, gerade wegen dieses Wegfalls rechtswidrig werden würde. Teilweise wurde diese Prüfung aber erweitert, sodass entscheidungserheblich wäre, ob der Grundverwaltungsakt an sich schon rechtswidrig ist. Daher stellt sich die Frage, wie weit die Prüfung des Haupt-VA reichen dürfe. Für eine erweiterte Prüfung spricht insb., dass ansonsten eine Art „Billigung“ eines rechtswidrigen VA durch das Gericht vorliegen könnte, was wiederum in Anbetracht des Rechtsstaatsprinzips und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aus Art. 20 III GG problematisch wäre.

Allerdings ist der Streitgegenstand nur die Nebenbestimmung und nicht der Haupt-VA, weshalb dieser auch nicht Prüfungsgegenstand ist. Zudem ist eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns abseits vom Streitgegenstand nicht die Aufgabe des Gerichts. Diese und weitere verwaltungsrechtliche Spezifika sprechen gegen eine unbegrenzte gerichtliche Überprüfung der materiellen Teilbarkeit und für die Begrenzung auf das Zusammenspiel von Nebenbestimmung und Haupt-VA. Damit umfasst die Prüfung nur, ob der Verwaltungsakt gerade wegen des Wegfalls der Nebenbestimmung rechtswidrig würde; andere Rechtswidrigkeitserwägungen des Haupt-VA sind nicht zu prüfen.


D. In der Prüfung

A. Zulässigkeit der Klage

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

II. Statthafte Klageart

III. Klagebefugnis

IV. Klagegegner

V. Beteiligten- und Prozessfähigkeit

VI. Form und Frist

VII. Zwischenergebnis

B. Begründetheit

I. Rechtswidrigkeit der Befristung

II. Rechtmäßigkeit und Sinnhaftigkeit der verbleibenden

Hauptregelung

III. Rechtsverletzung des K

IV. Zwischenergebnis

C. Ergebnis


E. Literaturhinweise

BVerwG, NVwZ 2002, 1798, Rn. 9; vgl. auch Anm. Hufen, NVwZ 2022, 1800 f.;

BVerwG, NVwZ 2021, 163 Rn. 19 - Rechtsprechung des 8. Senats Stelkens in: Stelken/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Auflage 2023, § 36 Rn. 60.

 

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