Entscheidung der Woche 36-2024 (ZR)
Marie-Christin Runkel
Die Verjährungsfrist für synallagmatisch verbundene Ansprüche aus einem Vertragsverhältnis beginnt erst mit der Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs.
Aktenzeichen und Fundstelle
Az.: BGH V ZR 224/22
Fundstelle: NJW 2024, 1960
A. Orientierungs - oder Leitsätze
1. Die Verjährungsfrist für synallagmatisch verbundene Ansprüche aus einem Vertragsverhältnis beginnt erst mit der Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs.
2. Für den Anspruch des Käufers auf Eigentumsverschaffung an einem Grundstück, der nach den vertraglichen Bedingungen nicht sofort fällig ist, beginnt die Verjährungsfrist nicht schon mit Vertragsschluss, sondern erst mit der Fälligkeit. Erst dann ist der Eigentumsverschaffungsanspruch im Sinne von § 200 BGB entstanden.
B. Sachverhalt
Der Kläger (K) verkaufte der Beklagten (B) mit notariellem Kaufvertrag vom 20.08.2004 ein Grundstück zu einem Preis von 216.000 €. Die Parteien vereinbarten die Auflassung. Der Notar wurde angewiesen, die Auflassung beim Grundbuchamt erst unter dem Eintritt einer Bedingung zu beantragen. Diese Bedingung forderte die schriftliche Zustimmung des K oder die Bestätigung der B bzw. einen anderen Nachweis dafür, dass der Kaufpreis vollständig gezahlt wurde.
Zunächst sollte ein Teilbetrag in Höhe von 80.000 € auf ein Konto des Notars eingezahlt werden, sodass eine Lastenfreistellung des Grundstücks erzielt wurde. Weiterhin wurde vertraglich vereinbart, dass K die Absicht verfolgt, mittels eines Teils des Kaufpreises im Umkreis des Grundstücks ein ähnliches Ersatzobjekt zu suchen und zu erwerben. Sollte bis zum 01.09.2007 kein solches Objekt gefunden werden, wurde beabsichtigt, einen Mietvertrag abzuschließen. Sofern dieser Fall eintreten würde vereinbarten die Parteien, dass der restliche Kaufpreis innerhalb von zehn Tagen zu zahlen sei, nachdem der K die B schriftlich zur Zahlung aufgefordert hatte. Die Fälligkeit des Kaufpreises sollte jedenfalls mit dem Ableben des K eintreten.
Der Teilbetrag wurde seitens der B eingezahlt und eine Auflassungsvormerkung wurde ins Grundbuch eingetragen. Ein Ersatzobjekt fand der K nicht. Die Zahlungsaufforderung sprach K in der Folgezeit auch nicht aus. Ebenso wenig erfolgte die Eigentumsumschreibung zugunsten von B. Unter Beziehung auf die Verjährung des Übereignungsanspruchs verlangte K im November 2021 mittels Klage von B die Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung.
Daraufhin erfolgte die Zahlung des restlichen Kaufpreises von B an K. B verweigert die Zustimmung.
C. Anmerkungen
Für den Anspruch des K auf Löschung der Vormerkung müsste die Einrede der Verjährung des § 214 Abs. 1 BGB greifen. Nach § 196 BGB verjähren Eigentumsverschaffungsansprüche nach zehn Jahren. Die Verjährung beginnt gem. § 200 S. 1 BGB grundsätzlich mit der Entstehung des Anspruchs. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Anspruch erstmals mittels einer Klage durchgesetzt werden kann. Das setzt sowohl das Vorliegen aller anspruchsbegründenden Tatsachen, als auch die Fälligkeit voraus. Dies gilt ebenso für synallagmatisch verknüpfte Ansprüche auf Leistung und Gegenleistung im Rahmen eines Grundstückskaufvertrags.
K und B haben ausdrücklich im notariellen Vertrag vereinbart, dass der Antrag auf Auflassung beim Grundbuchamt erst nach der vollständigen Kaufpreiszahlung zu erfolgen hat. Diese Vereinbarung hat der BGH als Fälligkeitsbestimmung ausgelegt. Sinn und Zweck bestehe im Schuldnerschutz und solle verhindern, dass eine Eigentumsumschreibung erfolgt, durch die K das Eigentum am Grundstück verliert, ohne die Kaufpreiszahlung erhalten zu haben. Vor Eintritt dieser Bedingung sollte B keine Berechtigung erhalten, ihren Anspruch geltend zu machen.
Es stellt sich die Frage, ob B aber bereits entsprechend § 271 Abs. 2 BGB berechtigt war, den vollständigen Kaufpreis an K zu zahlen und so die Möglichkeit hatte, die Fälligkeit selbst herbeizuführen. Allerdings sollte die Kaufpreiszahlung erst innerhalb von zehn Tagen nach der Zahlungsaufforderung durch K getätigt werden. Eine solche Aufforderung hat K nicht ausgesprochen, sodass auch hierdurch keine vorherige Fälligkeit eintreten kann, welche einen Verjährungsbeginn auslösen würde. Die Verjährung des Eingentumsverschaffungsanspruchs beginnt folglich erst mit dem Nachweis der Zahlung des Kaufpreises Daher ist die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen und es besteht kein Anspruch des K auf Zustimmung zur Löschung.
D. In der Prüfung
§ 886 BGB: Anspruch des K auf Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung durch B
I. Bestehen einer Vormerkung
II. Bezüglich des Grundstücks des K
III. Vormerkung zugunsten der B
IV. Bestehen der Einrede der Verjährung, § 214 BGB
1. Verjährungsfrist, § 196 BGB
2. Beginn der Verjährung
(P) Eintritt der Fälligkeit
3. Zwischenergebnis
V. Ergebnis
E. Literaturhinweise
BeckOK BGB/Heinrich, § 199 Rn. 10.